Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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2. August 1610 Henry Hudson entdeckt die Hudson-Bay

Euphorisch steuerte Henry Hudson sein Schiff in eine Bay, die noch kein Europäer befahren hatte. Das musste der Pazifik sein! Aber: Es war ein eisiges Binnenmeer des Grauens – die Hudson Bay. Autorin: Brigitte Kohn

Stand: 02.08.2019 | Archiv

02 August

Freitag, 02. August 2019

Autor(in): Brigitte Kohn

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Menschen sind von  Natur aus neugierig. Sie wollen wissen, wie es hinter dem nächsten Berg, hinter der nächsten Wegbiegung, am anderen Ufer des Meeres aussieht. In der Zeit zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert, dem Zeitalter der Entdeckungen, waren  große Teile der Welt noch unbekannt und eine ungeheure Herausforderung für ehrgeizige Kapitäne. Es waren Reisen, wie es sie heute nicht mehr gibt, voller Risiken und unvorstellbarer Strapazen.

Der Weg nach Ostasien

Vermutlich keine Entdeckerfahrt verlief aber so quälend und endete so grausam wie die  letzte Reise des Engländers Henry Hudson. Am 2. August 1610 lief sein Schiff Discovery in die Hudson-Bay ein, die damals natürlich noch nicht so hieß. Kein Mensch kannte das riesige Binnenmeer im Nordosten Kanadas, das man noch heute den Eiskeller Nordamerikas nennt. Auch Hudson hatte die Bucht eigentlich nicht gesucht. Er wollte, wie so viele Seefahrer seiner Zeit vor ihm und nach ihm, die Nordwestpassage finden, einen Reiseweg von Europa nach Ostasien, wesentlich kürzer als die Handelswege auf der südlichen Erdhalbkugel. In Ostasien gab es Gewürze und Seide, heiß begehrte Luxusgüter, mit denen man in Europa ein Bombengeschäft machen konnte – wenn man denn günstige Transportwege fand.

 Wie alle Entdecker war auch Henry Hudson ein erfahrener Seemann und passionierter Abenteurer. Das Segeln im nördlichen Eismeer allerdings hieß, das Vergnügen, unbekannte Gefilde zu erforschen, teuer zu bezahlen. Riesige Eisberge drohten das Schiff wie Zwieback zu zermalmen, wütende Stürme forderten den erschöpften, chronisch unterkühlten und schlecht ernährten Seeleuten die letzten Kräfte ab. Als Henry Hudson die Hudson-Bay erreichte, hoffte er, das Schlimmste überstanden zu haben. Die Bucht war so riesig, dass er sie für den Pazifik hielt. Hinter dem Horizont musste der Orient beginnen, er hatte die Nordwestpassage gefunden! Glaubte er. Doch als sich südlich und westlich kein Ausweg fand, als das Schiff nach einigen Irrwegen in der James Bay landete, in einen achttägigen Sturm geriet und dann auch noch festfror, sank die Stimmung an Bord. Hier war nicht der Pazifik.

Hier stand ein Winter bevor, härter und länger als je ein Engländer es sich in seinen schlimmsten Alpträumen vorgestellt hatte. Hudson ließ in der Nähe der Küste Anker werfen, aber die bot nicht genügend Schutz vor den eisigen Nordwinden und auch nur spärlichen Baumbestand. Jeder, der sich nach draußen wagte, um zu fischen, zu jagen oder nach Brennholz zu suchen, riskierte schwere Erfrierungen.

Nur heim

Die Mannschaft geriet immer öfter in Streit, und mit den streng rationierten Nahrungsmitteln schwand auch Hudsons Autorität. Im Juni 1611 schmolz das Eis endlich, und die Crew wollte nur noch eins: heim nach England. Als Hudson eines Morgens aus seiner Kabine trat, sah er sich von entschlossenen Händen gepackt und in ein offenes Boot verfrachtet. John, der Schiffsjunge, Hudsons sechzehnjähriger Sohn, wurde hinterher gestoßen, dazu noch sieben kranke Seemänner, die an Bord zu nichts mehr nütze waren. Die Discovery segelte davon, während sich über die Ausgesetzten der dichte Nebel des Nordmeers senkte. Die Meuterer erreichten England, wurden vor Gericht gestellt und freigesprochen. Seeleute mit exklusivem Wissen über völlig unbekannte Gebiete hängte man ungern, man brauchte sie für weitere Fahrten. Und die Männer im Boot? Von denen hat kein Mensch je wieder etwas gehört.


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