Bayern 2 - Das Kalenderblatt


5

28. März 1810 Haydns Papagei wird versteigert

Manch großer Komponist hat einen Vogel. Naja, zumindest bei Joseph Haydn war das so. Dessen Papagei verhalf dem Meister der Komposition zu manchem Liedchen, das später sensationellen Erfolg haben sollte.

Stand: 28.03.2019 | Archiv

28 März

Donnerstag, 28. März 2019

Autor(in): Brigitte Kohn

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Jeder Papagei, der in freier Natur und unter seinesgleichen lebt, weiß genau, was er tun muss, um in einem großen Schwarm seine Familienangehörigen oder seinen Partner herauszufinden. Er imitiert ganz einfach die Stimmlage und die Laute, die für den individuellen Vogel typisch sind. Der betreffende Papagei fühlt sich dann gemeint und steigt auf das Kommunikationsangebot ein.

In Gefangenschaft haben diese geselligen und intelligenten Tiere oft keinen Artgenossen als Partner, müssen sich mit dem Menschen begnügen und ahmen halt dann dessen Laute nach. Für den Vogel ist das eine Notlösung, aber dem Menschen macht das Spaß. Vor allem dann, wenn es besonders pfiffigen Exemplaren gelingt, herauszufinden, welche Worte zu welcher Situation am besten passen.

Gepfiffen auf den Kaiser

Im Wien des 18. Jahrhunderts lebte ein Graupapagei, der immer dann, wenn sein Halter bei Tisch einen Toast auf den Kaiser ausrief, das Kaiserlied gepfiffen haben soll. (Deutschlandlied pfeifen) Richtig, heute ist das die Melodie der Deutschlandhymne, aber damals hatte sie noch einen anderen Text: (singen): Gott erhalte Franz den Kaiser, unsern guten Kaiser Franz! 1797 zum Geburtstag des österreichischen Kaisers uraufgeführt, war das Lied bis 1918 die Hymne Österreichs und wurde erst 1922 in der Weimarer Republik, kombiniert mit dem Text von Heinrich Hoffmann von Fallersleben, zur Hymne des Deutschen Reiches erklärt.

Komm, Haydn-Papa

Das Lied hat eine sehr wechselvolle Geschichte, die weder der Komponist noch sein Papagei vorausahnen konnten. Ja, der Papagei gehörte dem Komponisten, und das war kein Geringerer als Joseph Haydn. Man könnte auch sagen, der Komponist gehörte dem Papagei, denn der war wie alle Vertreter seiner Art sehr besitzergreifend. "Komm, Haydn-Papa, komm zum schönen Paperl!", kreischte er den ganzen Tag durchs Haus, vor allem dann, wenn Haydn sich seinen Besuchern widmete. Der berühmte Mann ließ sich gern Papa Haydn nennen, von seinen Musikern, Schülern, Bewunderern und auch vom Papagei.

Den gefiederten Hausgenossen hatte Haydn übrigens aus London mitgebracht, ebenso wie die Idee zum Kaiserlied. So oft hatte er die Leute dort inbrünstig "Gott save the King!" singen hören und sich gedacht, so ein Lied täte den Österreichern auch mal gut. Die befanden sich gerade im Krieg gegen das revolutionäre Frankreich, und am Wiener Hof hatte man auch schon die Idee ins Auge gefasst, die sinkende Moral durch eine Komposition des großen Haydn zu heben, ziemlich gut.

Doch niemand liebte dieses Lied so sehr wie Haydn selbst, der sich, alt und gebrechlich geworden, bis ans Lebensende häufig ans Klavier tragen ließ, um es zu spielen. Der Papagei pfiff mit und wurde durch sein Können stadtbekannt. Kein Wunder also, dass er bei der Versteigerung von Haydns Hinterlassenschaften am 26. März 1810 eine astronomische Summe erzielte. Ein Fürst von Liechtenstein hat ihn ergattert – doch dann verliert sich sein Schicksal im Dunkel der Geschichte.


5