Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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30. November 1956 Hausfreund Swampy zieht in Berliner Krokodilhalle

Als Krokodil Swampy, das Maskottchen der in Berlin stationierten US-Streitkräfte, den Appetit verlor, gab man es kurzerhand bei Aquariumsdirektor Werner Schröder in Obhut. Der wusste sich zunächst nicht anders zu helfen - und teilte mit Swampy seine Badewanne. Autorin: Prisca Straub

Stand: 30.11.2021 | Archiv

30 November

Dienstag, 30. November 2021

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Unaufschiebbarer Besuch: Der Aquariumsdirektor sitzt gerade beim Mittagessen im hauseigenen Zoo-Restaurant, als zwei Offiziere vorgelassen werden. Sechstes US-Infanterieregiment, stationiert in West-Berlin. Behutsam legen sie Werner Schröder ein zappelndes Bündel auf den Tisch. Besorgte Minen: - "This is Swampy". Er will nichts mehr fressen, seit Tagen schon. Er wird doch nicht krank sein? Vorsichtig faltet Schröder das Tuch auseinander - ein kleiner Mississippi-Alligator braucht seine Hilfe.

Swampy, das Militärkrokodil

Auf den ersten Blick ist nichts zu erkennen. Möglicherweise haben dem Reptil einfach nur die niedrigen Temperaturen im Quartier der US-Luftwaffe so zugesetzt. Berlin ist nicht Florida. Als erstes braucht das Militärmaskottchen also eine warme Bleibe. Doch das Aquarium auf dem Gelände des Zoologischen Gartens ist ausgebombt, die Krokodilhalle ein Schutthaufen. Wohin also mit Swampy?

Der Alligator misst einen knappen Meter und ist nicht das erste Tier, dem der Direktor Unterschlupf in seiner eigenen Wohnung gewährt. Ein winziges Chamäleon, mehrere Wasserschildkröten, einen Arm voller Schlangen hat Werner Schröder bereits beherbergt. Jetzt also Swampy. Der tapst ruckzuck ins Schlafzimmer und richtet unter dem Bett sein Schlafquartier ein. Eng an den Heizkörper geschmiegt.

Alligator in der Badewanne

Bald findet der neue Mitbewohner seinen Appetit zurück und rutscht mit rudernden Beinen über das Parkett.

Für ein Vollbad ist auch der Aquariumsdirektor immer zu haben, doch jetzt teilt der ernste Mann mit den dunklen Augenringen seine Wanne mit Swampy - allerdings nur "nacheinander", wie Schröder betont. Dabei lauscht er den gellenden Urlauten, die Swampy beim Planschen von sich gibt. Wie alle Mississippi-Alligatoren ist er gut bei Stimme. Wenn Schröder Gäste bewirtet, schleicht das Tier gelegentlich ins Wohnzimmer und beginnt unter dem Esstisch unerwartet zu brüllen. "Drolllig", findet Schröder. Doch Swampy wächst und wächst. Möglicherweise wäre es jetzt besser, im Schlaf die Hände nicht mehr über der Bettkante baumeln zu lassen.

Und es gibt noch ein anderes Problem: Die US-Infanterie möchte Swampy bei ihren Paraden weiterhin dabeihaben. Swampy ist unwillig, protestiert beim Verladen, teilt mit dem Schwanz derbe Hiebe aus. Als man ihm auch noch einen Maulkorb verpasst, entscheidet Direktor Schröder: Schluss mit den militärischen Pflichten. Und: Swampy muss umziehen. Zurück zu seinesgleichen. Er ist jetzt über zwei Meter lang.

Am 30. November 1956 wird dann endlich die neue Berliner Krokodilhalle eröffnet - großes Tauchbecken, tropische Pflanzen und eine Brücke aus Bambus für die Besucher. Eine Etage tiefer kann man Swampy durch dicke Glasscheiben unter Wasser beim Schwimmen beobachten. Doch am liebsten döst das fröstelnde Bündel von damals mit weit aufgesperrtem Maul im warmen Sand. - Ganz anders Werner Schröder: Er geht lieber auf Reisen, um nach neuen Bewohnern für das Aquarium zu suchen. Gelegentlich ist einer von ihnen auch noch Gast in seiner Wohnung. Nur seine Badewanne, die muss der Direktor nicht mehr teilen.


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