Bayern 2 - Das Kalenderblatt


1

20. Juli 1639 Kirsten Svendsdatter entdeckt das längere der Goldhörner von Gallhus

Als einfache Magd einmal vor dem König stehen - für Kristine Svendsdatter wird dieser Traum wahr. Sie hat per Zufall mit den bedeutendsten Nationalschatz Dänemarks gefunden - eines der Goldhörner von Gallhus - und darf sich nun vom König eine Belohnung aussuchen. Autorin: Justina Schreiber

Stand: 20.07.2022 | Archiv

20 Juli

Mittwoch, 20. Juli 2022

Autor(in): Justina Schreiber

Sprecher(in): Christian Baumann

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Der 20. Juli 1639 war ein Glückstag für die dänische Nationalgeschichte. Vermutlich war der Tag unterm Strich auch ein Glückstag für Kristine Svendsdatter aus Østerby bei Tønder. Denn die 23-jährige Bauernmagd machte alles richtig, nachdem sie beim Spaziergang durch Gallehus mit dem Fuß gegen einen Gegenstand gestoßen war, der aus dem Boden ragte. Sie grub ihn mit bloßen Händen aus: Ein altes Horn, vielleicht die Trompete eines wandernden Gesellen, der sie im Suff verloren hatte? Egal.

Erstmal saubermachen

Kristine Svendsdatter wusch den Dreck von dem alten Dings und versteckte es, in ein Tuch gewickelt, unter ihrem Bett. Obwohl ihre Freundinnen meinten, sie sollte das vermeintliche Instrument am besten einem Spielmann für gutes Geld verkaufen, trug sie es doch lieber nach Tønder und zeigte es einem Goldschmied. Der erklärte: Das Horn sei echt aus reinem Gold! Wow! sagte Kristine Svendsdatter beziehungsweise äußerte vermutlich einen damals im südjütländischen Dialekt üblichen Ausruf der Überraschung. Und jetzt?

Besuch beim König

Das war eigentlich keine Frage. Denn der Grund, auf dem Kristine Svendsdatter so effektiv gestolpert war, gehörte ja nicht irgendwem, sondern - wie alle und alles dereinst hier - dem dänischen König. Also musste die junge Frau nun mit dem über drei Kilo schweren und einen halben Meter langen Horn im Beutel in die 50 Kilometer entfernte große Stadt Ribe reisen. Hier nahm ihr ein königlicher Lehnsmann das Fundstück ab, um es König, Christian IV., zu übergeben. Was halb so schlimm war. Kurz darauf wurde Kristine doch glatt vom König höchstpersönlich vorgeladen!

Seine Majestät fragte die Bauernmagd, so erzählt es die Legende, was sie sich als Lohn für ihre Bemühungen wünschte. Kristine Svendsdatter stammelte wohl so etwas wie "O, mein Gott!" Jetzt könnte ihr größter Traum in Erfüllung gehen! Sie wünschte sich nämlich nichts sehnlicher als ... ein rotes Kleid!

Ob diese Details nun wahr sind oder nicht, sie erklären zumindest, warum spätere Bilder und Porzellanfigürchen Kristine Svendsdatter meist mit einem roten Rock oder Mieder bekleidet darstellen. Ja, die ehrliche Finderin ging in die dänische Geschichtsschreibung ein. In den 1990er Jahren wurde sogar ein Intercity-Zug auf ihren Namen getauft. Was das Mindeste ist, wenn man bedenkt, dass Kristine Svendsdatter eine Art Nationalheiligtum mit hervorgebracht hat. Ohne allerdings auf die Idee zu kommen, in Gallehus noch einmal ein wenig herumzubuddeln, um vielleicht ein weiteres Gewand beim König herauszuschinden.

Erst 95 Jahre nach Kristines Glückstag stieß im Jahr 1734 ein Bauer wiederum per Zufall an derselben Stelle auf ein zweites ähnlich großes goldenes Horn, das ebenfalls aus der Zeit um 400 nach Christus stammte. Alles in allem der bedeutendste archäologische Fund auf dänischen Boden! Dessen immaterieller Wert für die Nation ging dann im 19. Jahrhundert völlig durch die Decke, nachdem ein Kopenhagener Falschmünzer die beiden Hörner aus der königlichen Kunstkammer entwendet und eingeschmolzen hatte. Nicht jeder konnte eben im Umgang mit einem eisenzeitlichen Schatz so viel Anstand und Zurückhaltung aufbringen wie die gelobte Kristine Svendsdatter.


1