Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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30. Mai 1905 Faltbooterfinder Alfred Heurich auf Jungfernfahrt

Segelboote und Yachten sind in der Regel was für Reiche. Weil auch die weniger Betuchten gerne in See stechen, ersinnt ein findiger Mann aus Rosenheim eine billige Alternative: Das Faltboot! Autor: Ernst Weber

Stand: 30.05.2018 | Archiv

30 Mai

Mittwoch, 30. Mai 2018

Autor(in): Ernst Weber

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Meere, Flüsse und Seen aus purem Vergnügen zu befahren, ist meist Menschen mit dem nötigen Kleingeld vorbehalten. Denn Boote oder gar Jachten - egal ob mit Segeln oder Motor betrieben - waren und sind teuer. Für das Geld, das beispielsweise dem stolzen Jachtbesitzer an oberbayerischen Seen als jährliche Liegeplatzgebühr abgeknöpft wird, kann man in anderen Gegenden ganze Gewässer kaufen. Heutzutage leben ganze Werften vom Geprotze russischer Oligarchen, arabischer Scheichs und amerikanischer Softwaremagnaten. Zum Glück hat der Architekturstudent Alfred Heurich Anfang des vergangenen Jahrhunderts das Münchner Völkerkundemuseum besucht und dann für eine gewisse Demokratisierung auf dem Wasser gesorgt.

Haderndampfer ahoi!

Heurich entdeckte dort nämlich ein Eskimo-Kajak, gebaut aus Holz, Knochen und Tierfellen. Solch ein schnittiges Teil wollte Heurich auch konstruieren. Aber: im Gegensatz zum Kajak aus dem Völkerkundemuseum sollte Heurichs Boot zerlegbar sein. Denn der Münchner hat es in der Regel ein Stück weiter zum Wasser als der Eskimo und mit einem sperrigen Kajak durch die Stadt zu laufen, ist nicht jedermanns Sache.

Heurich machte sich zunächst ein paar Gedanken, zeichnete, ging einkaufen und gab 30 Mark für Segeltuch und Bambusstäbe aus. Daraus konstruierte er das erste Faltboot. Am 30. Mai 1905 war es dann so weit: Die Jungfernfahrt! Alfred Heurich packte sein "Luftikus" getauftes Boot in einen Rucksack, fuhr mit der Bahn nach Bad Tölz und wagte sich dort auf die reißende Isar. Wie er später niederschrieb, hatte er einige recht brenzlige Situationen zu meistern. Doch Heurich umschiffte alle aus dem Wasser ragenden Felsen, "Luftikus" lief auf keine Sandbank auf und nach rund fünf Stunden Fahrt kamen Paddler und Boot wohlbehalten in München an, wo schon ein Reporter wartete. Der Zeitungsbericht bescherte Alfred Heurich gleich ein paar Interessenten. Auch einige Freunde kauften ihm eines seiner handgefertigten Boote ab. Doch so ein Faltboot alleine in Handarbeit herzustellen ist aufwendig und teuer.

Im großen Stil konnte Heurich seine Boote nicht an den Mann bringen. 1907 hat er schließlich das Patent an den Rosenheimer Schneidermeister und Sportartikelhändler Johann Klepper verkauft.

Lumpenkreuzer im Flottenverband

Der war ein gewiefter Geschäftsmann. In seiner Schneiderei ließ Klepper die Boote in Serie fertigen und bot auch gleich noch allerlei Zubehör an. Die Bedeutung von Werbung hatte der Rosenheimer ebenfalls erkannt. Mit dem Slogan: "Fahre fröhlich in die Welt  - mit Klepper-Mantel, Boot und Zelt" sprach er all die abenteuerlustigen und naturbegeisterten Arbeiter und Angestellten an, die öfter mal raus wollten aus ihrer Alltagsroutine. Damit löste Klepper einen Boom aus, der Ende der 20er Jahre seinen Höhepunkt erreichte. Damals verließen täglich 90 Faltboote die Rosenheimer Werft. Klepper beschäftigte rund 3.000 Menschen und war der größte Arbeitgeber Rosenheims. Auch viele andere Firmen bauten jetzt die praktischen Wasserfahrzeuge. Um all die Faltbootbegeisterten transportieren zu können, setzte die Bahn Sonderzüge ein. Segler und Motorbootbesitzer rümpften zwar die Nase über die "Hadernkähne" und "Lumpenkreuzer". Doch der Begeisterung der Faltbootkapitäne für ihren Sport tat das keinen Abbruch.

Alfred Heurich allerdings konnte von seiner Erfindung nie groß profitieren. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Architekt. 1967 ist er im Alter von 84 Jahren in Rosenheim gestorben. Dort erinnert heute eine Straße an den Faltbooterfinder.


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