Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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18. April 1958 Ezra Pound aus Anstalt entlassen

Ezra Pound: ein begnadeter Lyriker, doch leider faschistischen Weltverschwörungstheorien verfallen. Am 18. April 1958 wurde er aus einem Heim für Geisteskranke entlassen. Autor: Michael Schulte

Stand: 18.04.2019 | Archiv

18 April

Donnerstag, 18. April 2019

Autor(in): Michael Schulte

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Als Charlie Chaplin Albert Einstein begegnete, sagte er: "Mir applaudiert die Welt, weil mich jeder versteht; Ihnen applaudiert die Welt, weil Sie niemand versteht." Mit diesen Worten hätte er auch Ezra Pound begrüßen können. Dessen Hauptwerk, die über hundert "Cantos", gelten als ein Meilenstein moderner Lyrik, vielleicht auch, weil sie fast ebenso schwer zu verstehen sind wie die Relativitätstheorie. Hingegen waren Pounds Äußerungen zur Politik jedermann verständlich, leider Gottes.

Schweine und das Erzböse

Seit Mitte der Zwanzigerjahre lebte Pound, der einen enormen Einfluss auf die Entwicklung der englischsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts gehabt hatte, in Italien. Dort beschäftigte er sich in zunehmenden Maße mit wirtschaftspolitischen Fragen und rührte sich aus allen möglichen angelesenen Theorien eine eigene rechtslastige Weltanschauung zusammen. Schuld am Elend der Welt sei die jüdische und britische Hochfinanz, retten könne die Welt nur ein Genie wie Mussolini. Ab 1941 verbreitete er im italienischen Rundfunk dreimal wöchentlich in knapp zehnminütigen Ansprachen seine haarsträubenden Kommentare. Zum Beispiel: In London hätten sich die Schweine und das Erzböse versammelt, und zwar schon seit die britische Regierung die Indianer aufhetzte, um die amerikanischen Siedler hinzuschlachten. Und genau dieses Böse habe jetzt die Slawen, Mongolen und Tataren offen gegen Deutschland, Polen und Finnland losgelassen. Und so weiter.

Pound redete sich ein, die halbe Welt würde seinen lichtvollen Äußerungen lauschen. In Wirklichkeit waren es nur ein paar Beamte des CIA. Der Dichter wurde des Hochverrats angeklagt, 1945 verhaftet und in die USA geschafft, wo ihn ein Prozess erwartete. Auf Hochverrat stand die Todesstrafe. Nun war man sich einig, dass man den weltberühmten Autor schlecht auf den elektrischen Stuhl schicken konnte, weswegen man Pound kurzerhand für geistesgestört erklärte, was der Wahrheit möglicherweise sogar entsprach. Er wurde in das St. Elizabeth Hospital für kriminelle Geisteskranke in Washington eingewiesen - und vergessen.

Folge von Geisteskrankheit

Sein einstiger Freund Ernest Hemingway war der erste, der wieder auf ihn aufmerksam machte. Als Hemingway 1954 den Nobelpreis für Literatur erhielt, meinte er, eigentlich habe Pound, den man endlich auf freien Fuß setzen solle, diese Auszeichnung verdient. Drei Jahre später wurde dem Generalbundesanwalt der Vereinigten Staaten eine Petition vorgelegt, die unter anderem die Unterschriften von Igor Strawinsky, Graham Greene, Jean Cocteau und Benjamin Britten trug. Am 18. April 1958 war es endlich soweit. 13 Jahre nach seiner Verhaftung durfte Ezra Pound die Anstalt verlassen. Die Anklage war aufgehoben, das ihm zu Last gelegte Verbrechen als Folge seiner Geisteskrankheit eingestuft worden.

Pound schiffte sich nach Italien ein. Am Hafen von Neapel erwartete ihn eine Gruppe Journalisten. Er stand an der Reling, und hob lächelnd den rechten Arm zum Faschistengruß. 


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