Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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8. Mai 1783 Ein Exorzismus im Kloster Seefeld löst gewaltigen Shitstorm aus

Wenn die Wallfahrt brachliegt, muss es mit dem Teufel zugehen. Denkt man sich im Kloster Lechfeld und arrangiert einen Exorzismus für die Massen. Ein junges Mädchen in schwierigen Umständen, eventuell besessen vom Leibhaftigen, kommt den Mönchen als Showobjekt gerade recht. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 08.05.2025 | Archiv

08.05.1783: Ein Exorzismus im Kloster Seefeld löst gewaltigen Shitstorm aus

08 Mai

Donnerstag, 08. Mai 2025

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Irina Wanka

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Erst passiert, was keiner wissen darf. Dann fängt das andere an: Dass es im Stall nicht mehr geheuer ist, dass Vieh verendet, Kühe vorzeitig kalben, dass es überall wispert und huscht und Schatten Gesichter schneiden. Auch Johanna wird seltsam. Die 15-jährige Bauerntochter ist wie ausgewechselt. So, als würde wer in ihr hocken, der um sich schlägt, Gott bespeit und heraus plärrt aus ihr. Alles ist akkurat so, wie es Prediger, Bilderbögen und Votivtaferln schon immer erzählen. Drum wissen alle auf Anhieb Bescheid: Der Böse hat die Hand im Spiel, geistlicher Beistand tut Not.

Ausgetrieben werden muss er

Der Pfarrer von Lengenfeld im Ötztal tut gewiss sein Bestes. Wie aber sein Räuchern und Beten nichts hilft, sucht er beim Bischof in Brixen um einen Exorzismus an. Dem hohen Herrn geht das Gesuch heiß in die Knochen: Bei Dämonen ist neuerdings größte Vorsicht geboten. Kaiser Joseph II. hat den Glauben an leibhaft einfahrende Geister als heidnischen Unfug strikt verworfen. Für solche Ammenmärchen, schimpft er, ist kein Platz im Äon der Vernunft.

Teufelsshow für die Massen

Dumm nur, dass selbst der Kreismedicus eine strenge Infestatio, wenn nicht gar Possessio diabolica attestiert. Da kann der Bischof nicht aus und stimmt zu. So gelangt Johanna Anfang Mai 1783 in die Obhut der Seefelder Augustiner-Eremiten. Dort rückt ein Exorzist dem Widersacher zweimal täglich mit scharfen Fragen, Weihrauchwolken und gepfeffertem Latein auf den Pelz. Das schmeckt dem Erzlumpen gar nicht. Er werkt wie wild, wirft Johanna hin und her, knurrt, grunzt und spuckt. Kuschen muss er am Ende trotzdem, da kann er zahnen, wie er nur will.

Das öffentliche Spektakel macht die Runde und lockt immer größere Scharen an. Am 8. Mai 1783 drängen sich gut 2000 schauerfromme Pilger in der Klosterkirche, wo der höllische Feind unerwartet ein perfides Angebot macht: Wenn er heute in Johannas Gestalt predigen darf, fährt er morgen aus. Der Handel gilt, der Teufel legt los! Er liest dem Landvolk die Leviten, verdammt das Tanzen, Spielen, Fluchen, Ludern, lobt die Mönche und das Wirken der Seefelder Wallfahrt. Tags drauf zieht der Schandkerl wirklich ab. 2000 Kehlen jauchzen Großer Gott wir loben dich und tratschen das Wunder hinaus in die Welt.

Auf diesem Weg kriegt der aufgeklärte Zeitgeist Wind von Sache und erhebt ein Mordsgeschrei: Ein Teufel, der predigt? Da hört sich alles auf! Erst untersucht nur Brixen den Casus, dann forscht auch Wien die Umstände aus und staucht die Mönche zurecht: Von Besessenheit kann keine Rede sein, nur von Geldgier, Dummheit und Trug: Ein Mädchen hat heimlich dem Drängen eines Burschen nachgegeben, weiß vor Scham und Not nicht mehr wohin und wähnt sich vom Bösen besetzt. Das nutzt der Prior arglistig aus, um die stockende Wallfahrt zu erneuern. Pfui über ihn und seine Gesellen! Der Prior muss gehen, der Exorzist darf nie mehr zelebrieren, zwei Jahre später wird das Kloster aufgelöst.

Seither ist viel Zeit verflossen. Die Menschheit hat dazugelernt und weiß nun eines ganz bestimmt: dass wir zum Unheilstiften und Infernozündeln keinen Teufel brauchen. Das kriegen wir schon ganz gut selber hin.


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