Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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16. Dezember 1965 Erstmals Livemusik im Weltall: Gemini 6-Astronauten spielen "Jingle Bells"

Gemini 6 fliegt kurz vor Weihnachten durch den Weltraum. Dann meldet die Besatzung ein unbekanntes Flugobjekt, und die verblüffte Kommandozentrale auf der Erde hört "Jingle Bells": Live-Musik aus dem All. Autor: Xaver Frühbeis

Stand: 16.12.2021 | Archiv

16 Dezember

Donnerstag, 16. Dezember 2021

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Es war ein Flug voller Premieren. Gemini 6, tags zuvor erst in den Weltraum geschossen, trifft die Raumkapsel Gemini 7, die schon seit Tagen die Erde umkreist, das Ganze eher eine Notlösung, denn eigentlich hatte sich Gemini 6 viel früher schon mit einen unbemannten Satelliten treffen sollen. Der aber war beim Start explodiert, und so war man auf die Idee gekommen, stattdessen ein Rendezvous zwischen zwei bemannten Raumkapseln auszurichten. Die Idee war kühn. Nie zuvor waren zwei Raumschiffe zugleich in einer Erdumlaufbahn gewesen, die technischen Probleme enorm, aber: lösbar. Gemini 7 startet Anfang Dezember, Gemini 6 elf Tage später, in jeder Kapsel zwei Astronauten, in Gemini 6 Walter Schirra und Tom Stafford. Die beiden schaffen es, in der Schwerelosigkeit der Erdumlaufbahn Gemini 6 mit kurzen Düsenzündungen an die Schwesterkapsel heranzumanövrieren. Dicht an dicht fliegen sie nebeneinander her, teilweise mit nur dreißig Zentimetern Abstand, die Astronauten können einander durch die Bullaugen zuwinken. Das ist die zweite Premiere des Flugs. Nie zuvor ist ein Weltraum-Rendezvous vom Raumschiff selbst gesteuert worden. Ein Wunschtraum geht in Erfüllung. Und das am 16. Dezember 1965, wenige Tage vor Weihnachten.

Fünf Stunden fliegen sie so nebeneinander her, danach geht Gemini 7 wieder auf ein paar Meter Abstand zu Gemini 6, die Astronauten wollen schlafen gehen. Doch da erreicht sie von Gemini 6 ein unerwarteter Funkspruch.

"Wir haben hier ein seltsames Objekt", sagt Schirra, der Kommandant, aufgeregt. "Es schaut aus wie ein Satellit, der von Norden nach Süden über den Pol fliegt, und zwar in einer sehr niedrigen Flugbahn."

Niedrig über den Nordpol: So einen Satelliten gibt es nicht. Die NASA unten auf der Erde ist besorgt. Was sehen die da? Auch Gemini 6 versucht das zu klären.

Es sehe so aus, sagt Schirra in sein Mikrofon, als würde das Objekt gleich wieder in die Erdatmosphäre eintreten. Und er werde jetzt mal versuchen, das Ding zu sich in die Kapsel zu holen. Und dann hören alle die dritte Premiere des Flugs. Livemusik im Weltraum.

Musik im Weltall

Der seltsame Satellit über dem Pol entpuppt sich als "Santa Claus auf Probeflug", die beiden Astronauten von Gemini 6 haben ihn sich nur ausgedacht. Und jetzt spielen sie in ihrer Kapsel "Jingle Bells". Vor dem Start hat Walter Schirra in seinem Raumanzug eine Hohner "Little Lady" an Bord geschmuggelt, die kleinste Mundharmonika der Welt, mit dreieinhalb Zentimetern nimmt sie kaum Platz weg. Und Stafford hat ein schmales Armband mit Schellenglöckchen bei sich versteckt. "Die Idee kam von Walter", sagt Stafford später, "er kann ein bisschen Mundharmonika spielen, grad so, dass es für Jingle Bells reicht. Wir hatten das vor dem Start zwei, drei Mal geprobt, aber natürlich niemandem was davon gesagt. Singen wollten wir nicht, weil ich überhaupt keine Melodie halten kann."

Wieder auf der Erde haben Stafford und Schirra die kostbaren Instrumente dem "Smithsonian Air and Space Museum" in Washington geschenkt. Dort kann man Mundharmonika und Schellenarmband heute besichtigen. Die ersten - und vermutlich einzigen - Musikinstrumente, die je von Menschen im Weltraum gespielt worden sind.


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