Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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30. Januar 1790 Erstes Rettungsboot getestet

Viele nützliche Dinge erfahren zunächst nicht die gerechte Anerkennung, zum Beispiel das Rettungsboot. Das erste wurde am 30. Januar 1790 getestet, an der Mündung des Tyne im nordenglischen Southshields. Autor: Thomas Grasberger

Stand: 30.01.2019 | Archiv

30 Januar

Mittwoch, 30. Januar 2019

Autor(in): Thomas Grasberger

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Irgendwas fehlt immer. Manchmal ist es nur der Knopf am Hemd. Oder das Kleingeld an der Supermarktkasse. Gelegentlich ist es auch die zweite Socke in der Waschmaschinentrommel. Oder die zündende Idee am Anfang einer Radio-Glosse Aber all das ist nicht wirklich schlimm. Denn: Es kann ja noch kommen!

Zum Beispiel die zündende Idee für die Glosse; daraus folgt das nötige Kleingeld für den Supermarkt; wo an der Kasse schon die Traumfrau fürs Standesamt wartet Und das Problem mit Hemdknopf und der verschwundenen Socke ist auch gelöst. Zugegeben, das ist - zumindest in dieser strengen Reihenfolge - der Idealfall. Aber denkbar ist es!

Hoffnungsschimmer bei schwerem Wetter

Ganz anders verhält es sich, wenn Fehlendes nicht mehr rechtzeitig aufzutreiben ist. Zum Beispiel ein Rettungsboot, das einem sinkenden Schiff zu Hilfe kommt. Meist ist er irreversibel, dieser Fehler, den Tausende von Seeleuten in der Geschichte der Schifffahrt schon mit ihrem Leben bezahlt haben. Zumindest war er es, bis zum 30. Januar 1790. Nicht, dass nach diesem Datum keine Matrosen mehr ertrunken wären. Gott sei´s geklagt, es waren nur allzu viele! Aber immerhin gibt es seither einen kleinen Hoffnungsschimmer für all jene, die sich aufs Meer hinauswagen. Denn an jenem Samstag präsentierte im nordenglischen South Shields, an der Mündung des Tyne-Flusses, der 33-jährige Bootsbauer Henry Francis Greathead eine glorreiche Konstruktion.

Die meisten Schiffsunglücke passierten damals in Küstennähe; erst im Jahr zuvor war in der Gegend ein Schiff gestrandet, die Mannschaft konnte im Sturm nicht mehr gerettet werden. So etwas sollte sich nie wieder ereignen. Deshalb wurde ein Komitee gegründet und ein Wettbewerb ausgeschrieben. Das Ziel: ein Rettungsboot, das bei Sturm eingesetzt werden konnte.

Der Bootsbauer Greathead wurde als Konstrukteur angestellt und durfte eine Jolle nach den Plänen zweier Komitee-Mitglieder zimmern. Neun Meter lang und drei Meter breit war das Boot namens "The Original" - 20 Leute sollten im Notfall darauf Platz finden. Und vor allem bei schwerem Wetter nicht kentern.

Rettungsboot im Parlament

Stolz schaute Henry Greathead zu, wie sein Rettungsboot erstmals ins Wasser gelassen wurde. Wir dürfen davon ausgehen, dass er an jenem großen Tag alle Knöpfe am Hemd und beide Socken an den Füßen hatte, weil vermutlich auch die Ehefrau dieses glücklichen Mannes dabei war. Und trotzdem: Irgendwas fehlt immer, in dem Fall die Anerkennung. Man machte dem Bootsbauer Greathead seine Pionierleistung streitig. So hieß es, das Rettungsboot sei ja schon im Jahr 1785 patentiert worden, von einem Herrn namens Lionel Lukin.

Greathead setzte sich am Ende jedoch durch. Er reichte 1802 eine Petition im Parlament ein, und die hohen Herren im House of Commons bestätigten ihm, dass The Original nicht nur nützlich, sondern auch original sein Werk war. 1.200 Pfund erhielt er dafür. Aber ums Geld ging es ihm nicht. Greathead, der insgesamt 31 Rettungsboote baute, ließ seine Erfindung nie patentieren. Er teilte sein Wissen mit anderen, zugunsten der vielen Seeleute, denen er damit das Leben gerettet hat.


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