Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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23. Oktober 1970 Erster Teil des Schulmädchen-Reports hat Premiere

Was viele nicht zu sagen wagen, sagen sie doch, man muss sie nur fragen. Zumindest will das die Reihe "Schulmädchen-Reports" glauben machen: Diese Filme wissen, was Frauen heimlich wollen. Angeblich. Autorin: Susi Weichselbaumer

Stand: 23.10.2019 | Archiv

23 Oktober

Mittwoch, 23. Oktober 2019

Autor(in): Susi Weichselbaumer

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Die – Achtung Zitat: "Geschäftsidee meines Lebens"... Seltenst taucht die tatsächlich zu Lebzeiten auf. Manchen ereilt der Ruhm posthum. Was meint, dass hinterher wenigstens bei den Erben der Rubel rollt. In der Regel hat das letzte Hemd keine Taschen und die Taschen der Hemden vorher waren genauso leer. Einige aber ereilt diese "Geschäftsidee meines Lebens" nicht nur zu Lebzeiten, sondern just im richtigen Moment.

Geschichte von Mädchen von heute

Zum Beispiel den Filmproduzenten Wolf C. Hartwig. Er entdeckt ein Buch. Eine Interviewsammlung. Und kauft die Rechte an dem Band. Für 30.000 D-Mark. Ein Schnäppchen einfach deshalb, weil der Autor des Buches Günther Hunold nicht glaubt, dass jemand einen irgendwie auch nur in Ansätzen absatzstarken Streifen daraus drehen könnte. Hartwig nimmt nochmal 220.000 Mark in die Hand, engagiert günstig "Mädchen aus Mittelschulen und Gymnasien und ihre Freunde" – zumindest wird es so auf dem Filmplakat stehen. Tatsächlich rekrutiert er hauptsächlich Kaufhausverkäuferinnen zwischen 16 und 19. Pro Drehtag gibt es 500 Mark für die Mädchen. Deren Monatsverdienst liegt bei 600 bis 800 Mark. Sie machen gerne mit. Der Job ist auch nicht weiter schwer. Die Geschichten aus dem Interviewband gilt es nachzustellen. Das geht Zack-Zack.

Nach etwas über zwei Wochen fällt die letzte Klappe. Am 23. Oktober 1970 ist der Film in den Kinos: "Schulmädchen-Report: Was Eltern nicht für möglich halten".

Deutschlands Eltern sind entsetzt. Deutschlands Jugend ist begeistert. Und bleibt es. 13 Fortsetzungen wird Hartwig drehen. Immer nach dem gleichen Schema: Anderthalb Stunden lang reihen sich Episoden aus dem Leben "moderner" – wie es ausdrücklich heißt – "moderner" Mädchen aneinander, mal unterbrochen von nachgestellten Straßenumfragen, mal ergänzt um eine Rahmenhandlung wie eine Elternbeiratssitzung oder eine Gerichtsverhandlung oder ein Treffen unter Freundinnen.

Dazwischen beglücken die jungen Damen auf der Leinwand ältere Lehrer, schlafen mit dem Busfahrer beim Schulausflug, verführen die Mathenachhilfe am Badesee oder den Pfarrer bei der Beichte. Masturbation, Defloration, Verhütung, Homosexualität...

Wir raten ab!

Um die drastischen – wenigstens für damalige prüde 70er Jahre BRD-Verhältnisse drastischen – Bilder abzumildern, bekommen die "Schulmädchen-Reports" einen wissenschaftlichen Anstrich. Psychologen, Ärzte, Geistliche – Experten aller Art erklären zwischen den Episoden, was junge Mädchen wirklich wollen und warum. Der Katholische Filmdienst schimpft über solch manipulierte Propagierung der freien Liebe: "Wir raten ab!" Was wiederum die deutsche Jugend nicht tangiert. Hartwig macht mit der "Geschäftsidee meines Lebens" den großen Reibach.

Zu den Schulmädchen-Reports kommen bald die Hausfrauen-Reports, Tanzstunden-Reports, Lehrmädchen-Reports. Alle nach dem gleichen eher altväterlichen Strickmuster wie Frauen heimlich zu ticken hätten. Nämlich maximal lüstern. Dass dabei noch jede Menge Luft nach oben ist, zeigt sich, als 1975 Pornografie in Deutschland zugelassen wird und erste reine Sexkinos eröffnen.

Da ist Hartwig bereits reich. Ein paar Folgen "Schulmädchen-Report" dreht er noch. Neue Mädchen zu finden wird zunehmend schwer und teuer. Also greift man auf ältere Damen zurück und lässt es dann ganz sein. Es gibt schließlich immer ein letztes Mal.  


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