Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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7. Juli 2001 Erster Peoplemover eingeweiht

Ein verkehrstechnischer Geniestreich sollte er werden und vor allem für die Sicherheit der Passanten sorgen: Der Peoplemover im schwäbischen Pfullingen. Der Bau einer Umgehungsstraße machte den eben erst eröffneten Brückenaufzug arbeitslos. Trotzdem ist der Peoplemover Technikgeschichte. Autor: Hellmuth Nordwig

Stand: 07.07.2022 | Archiv

07 Juli

Donnerstag, 07. Juli 2022

Autor(in): Hellmuth Nordwig

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Ach, Pfullingen! Eingebettet in blühende Streuobstwiesen, an der lauschigen Echaz gelegen, schmiegst du dich an einen Abhang der Schwäbischen Alb, in dem die Berghexe Urschel haust. Ein Großteil deiner Gemarkung besteht, völlig zu Recht, aus Naturschutzgebiet. Auch das bemerkenswerteste Bauwerk der Reutlinger Alb weist du auf, den Schönbergturm. Eigentlich zwei Türme nebeneinander, die durch eine Aussichtsplattform verbunden sind, weiß angestrichen und wegen ihrer Gestalt von den Einheimischen "Pfullinger Unterhos" genannt. Wer dort oben steht, blickt weit ins flache Land hinaus, kann die Seele baumeln und die Sorgen der Talmenschen ziehen lassen.

Oh Idyll!

Zu denen zählte lange Zeit die Bundesstraße 312. Die führte nämlich auf ihrem Weg vom Stuttgarter Flughafen über Neckartailfingen, zwischen Bempflingen und Neckartenzlingen hindurch bis nach Ernstingen oben auf der Alb - mitten durch Pfullingen, was doch manch einen die Echaz und die Obstbäume vergessen ließ. Aber das war halt so Ende des letzten Jahrhunderts, die Orte waren autogerecht ausgebaut, und gerade im Ländle wusste man, warum. Nicht wenige Pfullinger schaffen ja heute noch beim Daimler. So war es nur konsequent, dass ein Einkaufszentrum selbst für die Häuslebauer direkt gegenüber nur noch über Umwege und am besten gleich mit dem Wagen erreichbar war. Die B 312 zu Fuß überqueren zu wollen, war nicht weniger als schwäbisches Roulette.

Wilde Gefahr!

Aber zum Glück liegt Pfullingen mitten im Land der emsigen Erfinder und geschickten Unternehmer. Einer von ihnen, Emil Schmid, hatte seine Maschinenbau-Firma gleich in der Nachbargemeinde Sonnenbühl. Er tüftelte schon länger an einer ganz besonderen Brücke: Sie sollte nicht nur an jeder Seite einen Fahrstuhl haben, nein, der Aufzug sollte die Menschen auch gleich noch die 20 Meter über das lästige Hindernis hinübertragen. Am 7. Juli 2001 war er fertig, der "Peoplemover" oder "Leutlupfer", wie die Pfullinger sagten. Optisch erinnerte er stark an die Unterhose außerhalb des Orts: es ging in einem Brückenpfeiler rauf, im anderen runter, und in derselben Kabine über die Straße. Die baumelte aufgehängt an einem Seil. Für die Seele war das schwierig angesichts des Verkehrs, der unten toste.

Dass hier schon länger die Vergangenheitsform verwendet wird, hat seinen Grund: Der Peoplemover ist nur knapp vor der Pfullinger Ortsumfahrung fertig geworden. Die führt seit 2003 in einem Tunnel durch den Ursulaberg, und im Städtchen ist es wieder ruhiger. Da der spezielle Aufzug doch recht wartungsintensiv gewesen wäre, ruht sein Betrieb mangels Bedarf längst wieder. Heute erinnert er als Denkmal in Unterhosenform an diesen Schildbürgerstreich.

Im Berg, durch den jetzt der Verkehr dröhnt, wohnt aber immer noch die Hexe, die nicht mehr gut schlafen kann. Der Künstler Wolfgang Rätz hat ihr darum den "Urschel Mover" gewidmet, auf dass sie wenigstens gefahrlos ins Tal kommt. Denn dort, das weiß jeder Pfullinger, tut sie manchmal ein gutes Werk. Nicht nur für die Firma Schmid-Maschinenbau.


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