Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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10. Juli 1962 Erster amerikanischer Fernsehsatellit "Telstar 1" überträgt Live-TV-Bilder nach Europa

Übersee für Europa ganz nah – das schaffte zum ersten Mal der US-Fernsehsatellit Telstar 1. Auch andersherum gelangten nun Live-Bilder von hier nach dort. Allerdings nicht recht lange.

Stand: 10.07.2018 | Archiv

10 Juli

Dienstag, 10. Juli 2018

Autor(in): Silke Wolfrum

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Irgendwo im Weltall schwebt er noch, der Star der Welt – zumindest der westlichen – einst bejubelt und besungen, heute vergessen. Telstar 1 – ein Satellit schön wie eine Discokugel – sorgte im Jahr 1962 dafür, dass sich Millionen Europäer vor Fernsehapparaten versammelten und gemeinsam staunten, feierten und jubelten. Es war sozusagen das erste public viewing der Welt und was sahen die Europäer? Baseball! Kurz darauf flimmerte Präsident John F. Kennedy über die Bildschirme. Er pries Telstar, diese rund 77 Kilogramm schwere schwebende Kugel, in den höchsten Tönen. Und wahrlich: Hatte diese Kugel doch nichts anderes ermöglicht, als die erste Live-Fernsehübertragung zwischen den USA und Europa. Nun war der Weg frei für Frieden, Völkerverständigung und Sicherheit, so Kennedy. Nebenbei konnte er auch noch der UdSSR eins auswischen. Sputnik war gestern, jetzt haben wir Telstar! Great!

Sorry, Sputnik!

Die bis dahin vollkommen unbekannte Band The Tornados komponierte ein Instrumentalstück mit dem Titel "Telstar" und landete glatt einen Nummer-eins-Hit in den USA: (Melodie gesummt) Wie viele mögen diese Melodie mitgesummt haben?! Was für ein Triumph! Was für eine strahlende Zukunft lag nun bereit! USA ganz nah! Und umgekehrt! Denn hatten zuerst die Europäer Baseball, Kennedy, die Freiheitsstatue und ähnliche Touristenattraktionen sowie einen 350-köpfigen Mormonen-Chor sehen und hören können, so staunten schon drei Stunden später die Amerikaner über Bilder vom Louvre oder dem Big Ben, über Pferd und Reiter der Spanischen Reitschule in Wien, über Rentiere in Schweden und Stahlarbeiter aus dem Ruhrgebiet. Wonderful!

Scho schee!

Am 10. Juli 1962 hatte die NASA den Wunder-Satelliten ins All geschickt. Mit 28000 Stundenkilometern umraste er daraufhin die Erde.

Die Wunder-Kugel sorgte nicht nur für Bilder aus Übersee, dank ihr konnte man jetzt auch viel leichter mit dem Onkel in Amerika telefonieren. Manche träumten schon von einem "Postamt im Himmel", andere sahen in Telstar eine Art Sonne, die amerikanische Werte und Kultur bald über die ganze Welt erstrahlen lassen würde. Wenn auch immer nur 18 Minuten lang.

Denn da Telstar die Erde nicht parallel zu ihrer Umdrehung umrundete, konnte jede Live-Übertragung nur 18 Minuten dauern und dann musste wieder rund 3 Stunden gewartet werden. Umso schöner, wenn er wieder funkte! Angesichts der heutigen globalen Programmschwemme wird man geradezu neidisch auf diese kostbaren 18 Minuten. Ach Telstar 1, du Kugel der Vergangenheit!

Verständlich auch, wie sehr die Menschen trauerten, als Telstar 1 nur 4 Monate nach seinem glorreichen Start bereits kaputt war. Weltraumschrott. Warum? Einen Tag vor seinem Abflug hatten die Amerikaner einen Atomtest im All unternommen. Daran ging Telstar zu Grunde. Wie peinlich, dass John F. Kennedy noch kurz zuvor über die Gefahr russischer Atomwaffentests gestänkert hatte. Per Übersee-Live-Fernsehen übrigens. Da funkte Telstar noch.


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