Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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24. Mai 1924 Erste Radiosendung mit Jazz in Deutschland

Fast niemand kannte Jazz in Deutschland, obwohl sich mit der neuen Spielart Swing das Publikum begeistern und mit Schallplatten davon jede Menge Geld verdienen ließ. Die erste Radiosendung mit Jazzmusik von Der deutschen Stunde in Bayern war dann aber in den 1920er Jahren der Beginn eines Jazz-Booms in der Weimarer Republik. Autor: Frank Halbach

Stand: 24.05.2022 | Archiv

24 Mai

Dienstag, 24. Mai 2022

Autor(in): Frank Halbach

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

"Jazz ist ein Wort des weißen Mannes!", meinte Miles Davis, Jazzlegende, bis heute von Promotern und Kritikern als Schutzheiliger angerufen, für genau die Musik, deren Bezeichnung der Prince Of Darkness als "white shit " ablehnte. Da hatte dieser - sorry Miles! - "Jazz" aber schon über ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel.

Er hatte begonnen, sich ab etwa 1900 in den Südstaaten der USA zu entwickeln. Und zwar zunächst meist als ein Crossover mit anderen Musikgenres oder Traditionen. Jazz ist die Begegnung afrikanischer und afro-amerikanischer mit europäischer Musik. Zuerst war Jazz nur regional bedeutsam - besonders in New Orleans, um New Orleans und um New Orleans herum, klar.

Let’s swing

Aber dann schaffte es der Swing, den Jazz zur Popularmusik und damit zum willkommenen Goldesel der Musikindustrie in Gestalt der Plattenfirmen zu machen. Auch in Deutschland, das den Jazz beinahe verschlafen hätte. Denn nach dem Ersten Weltkrieg verhinderten Wirtschaftssanktionen, dass die ersten Schallplatten mit Jazzmusik in die junge Weimarer Republik kamen. Natürlich, im hippen Berlin tanzten coole Steppkes und lässige Bienen zur neuen Musik: Sie galt als Statement für Neuanfang und Demokratie. Genau genommen aber tanzte das junge Jemüse lediglich zu dem, was es für Jazz hielt. Die angesagten Tanz- und Unterhaltungsorchester spielten nämlich das, was sie als Stimmungsaufheller schon im Krieg gespielt hatten und motzten es ein bisschen auf: Ragtime, Cakewalk, One Step und Pasodoble garniert mit ein wenig von den neuen Tänzen Foxtrott und Shimmy.

Echten Jazz bekam in Deutschland so gut wie niemand zu hören. Bis sich am 24. Mai 1924 alles änderte: Die Deutsche Stunde in Bayern sendete die erste Jazzsendung Deutschlands mit dem Titel "Jazzmusik aus dem Regina-Palasthotel".

Jazz-Boom

Und im braven München groovten fesche Madln und zünftige Buam dazu. Salonorchester amerikanisierten ihr Repertoire und so mancher gequälte Geigenschüler entledigte sich erleichtert der Violine und griff zum Saxophon. Jazzkonzerte aus diversen Aufführungsstätten live im Rundfunk zu übertragen kam in Mode und ganz Deutschland befand sich zwischen 1924 und 1929 in einem regelrechten Jazz-Boom.

Ja, sorry Miles. Natürlich, es war immer noch ein Mischmasch aus Schlager und Tanzmusik, der sich als "Jazz" in Deutschland etablierte, nicht der ambitionierte Hot Jazz der schwarzen Musiker. Den gab es aber vor allem wegen der rassistischen Geschäftspraktiken der Plattenfirmen auch in den Staaten nur selten im Radio zu hören.

Schließlich war den großen Kunstkennern mit den braunen Hemden auch dieser "white Shit", also weiße ... zu schwarz. Das NS-Regime verfolgte und verbot die Ausstrahlung von Jazz im Rundfunk. Nach zwölf Jahren tausendjährigem Reich war der Jazz dann nicht mehr aufzuhalten - in Jazzclubs und im Radio.

Schon 1945 lief bei Radio München die erste regelmäßige deutsche Jazzsendung. Was Jazz eigentlich ist, hat Miles Davis übrigens recht einfach erklärt: "Es ist Musik - und mir gefällt es!"


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