Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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24. Juli 1938 Erste Durchsteigung der Eiger-Nordwand erfolgreich abgeschlossen

Sie ist eine der bekanntesten Wände der Welt. Lange hat es gedauert, bis jemand ganz oben auf ihr stand. Die Eiger Nordwand ist bis heute eine der größten Herausforderungen für Bergfexen. Autorin: Regina Fanderl

Stand: 24.07.2018 | Archiv

24 Juli

Dienstag, 24. Juli 2018

Autor(in): Regina Fanderl

Sprecher(in): Christian Baumann

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Wer nicht schwindelfrei ist, dem stellen sich schon beim Lesen der Tourenetappen die Haare auf: Todesbiwak, Spinne, Schwieriger Riss, Schwalbennest, Eisschlauch, Wasserfallkamin – Orte, die aus Büchern und Filmen bekannt sind. Orte, die ziemlich weit oben liegen und trotzdem ganz und gar freiwillig angesteuert werden…

Der Kenner weiß: Die Rede ist hier von der Eiger Nordwand in den Berner Alpen. Atemberaubende 1800 Meter hoch. Extrem steiles, zum Teil nach innen gewölbtes Gelände. Schwierige Eispassagen. Permanente Gefahr durch Steinschlag und Lawinen. Heftige Wetterstürze! Und wohl gerade deshalb so unendlich begehrt in Kletterer-Kreisen.

Aufi muaß I!

Doch aller Anfang war schwer. Seit dem ersten Versuch 1935 bezahlen acht Alpinisten ihr Ansinnen, erfolgreich in die Bergsport-Geschichte einzugehen, mit dem Leben. Darunter die vier jungen, starken Burschen Rainer, Angerer, Hinterstoißer und Kurz, deren hochdramatisches Ende in der Wand der Wände 2008 mit viel Blut Schweiß und Tränen verfilmt wurde. Als es 1937 wieder ein Todesopfer gibt, heißt es: der Berg ist unbezwingbar. Nordwand ist Mordwand.

Nomoi aufi!

Aber dann kommt Anderl Heckmair! Das Waisenkind aus München nimmt die letzte ungelöste Herausforderung der Alpen im Juli 1938 in Angriff. Aus den Fehlern der anderen zieht er den Schluss: Das Eis ist das Problem. Der 32jährige besorgt für sich und seinen Partner Wiggerl Vörg die damals noch völlig neuartigen 12-Zacker-Steigeisen mit zwei Frontalzacken. Am 22. Juli gegen drei Uhr früh brechen sie auf und treffen gegen Mittag auf die beiden Österreicher Fritz Kasparek und Heinrich Harrer, die sich nach einer Nacht im Felsen immer noch mit dem zweiten Eisfeld abmühen.

Die vier tun sich zusammen, Heckmair führt an, auf dem Kopf die Wollmütze mit den angestrickten Ohrenschützern, am Rücken 20 Kilo Ausrüstung inklusive einer Schweinshaxe. Mit traumwandlerischer Sicherheit findet er die überwindbaren Schlüsselstellen. Am späten Nachmittag des nächsten Tages tobt ein heftiges Gewitter. Die Seilschaft verbringt die Nacht auf einer kleinen vereisten Felsplatte. Es schneit Unmengen. Heckmair opfert, sturmumtost, seine Schweinshaxe. Am nächsten Morgen steigen sie trotz widrigster Umstände weiter.

Die bergsteigerische Leistung wird von den Medien und den Sommergästen der Hotels am Fuß des Eigers mit großem Interesse verfolgt.

Um 15.30 Uhr des 24. Juli 1938 haben sie es geschafft. Der Mordwand-Fluch ist gebrochen. Während sich die glückliche Bundhosen-Seilschaft mit gut durchgefrorenen Pranken in den Fäustlingen gegenseitig auf die Schultern klopft und ein Zigarettchen raucht, ist unten der Teufel los. Radioreporter trommeln Live-Reportagen über den Äther, Zeitungsschreiber hängen an den Telefonen, Filmteams streiten um die besten Plätze. Und Hitler freut sich: vier Monate nach dem "Anschluss" Österreichs ans Reich bezwingt eine deutsch-österreichische Seilschaft den Eiger! Rückblickend ist das der Schatten, der auf diese Sternstunde des Alpinismus fällt...

Übrigens: momentan liegt der aktuelle Eiger-Speed-Rekord über die Heckmair-Route bei zwei Stunden, 22 Minuten und 50 Sekunden.


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