16. Mai 1881 Erste elektrische Straßenbahn nimmt in Berlin fahrplanmäßigen Betrieb auf
Pferdegespanne, die waggonweise Passagiere durch Europas Metropolen ziehen – das kann die Zukunft des Personennahverkehrs nicht sein, überlegt Werner Siemens und entwickelt ein Konzept für elektrische Straßenbahnen. Vom dem will man in Berlin zunächst nichts wissen, weil zu verwegen. Autor: Hartmut E. Lange
16. Mai
Freitag, 16. Mai 2025
Autor(in): Hartmut E. Lange
Sprecher(in): Caroline Ebner
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Das Grundgeräusch in den Straßen der europäischen Metropolen ist Mitte des 19. Jahrhunderts gleich. In London, Paris oder Berlin – das Geklapper von Hufen ist der dominierende Sound im Häusermeer. Die Großstädte durchzieht ein Liniennetz für Straßenbahnwagen, die von Pferden gezogen werden. 1865 sind es in Berlin 760 kräftige Vierbeiner, die 160 Waggons auf 74 Kilometer langen Schienen bewegen.
Der Vordenker heißt Siemens
Zu allen Zeiten gibt es Menschen, die mit ihren Ideen voraus sind: Philosophen, Wissenschaftler, Erfinder. So einer ist auch der Elektroingenieur und Unternehmer Werner Siemens. Er ist ein Vordenker in Sachen Mobilität. Siemens hat nichts gegen Pferde, aber er möchte den städtischen Verkehr effizienter machen. Seine neue Erfindung hat mehr zu bieten als die gemächlichen zehn Stundenkilometer der Pferdebahnen. Auf der Berliner Gewerbeausstellung von 1879 präsentiert er die erste elektrische Lokomotive der Welt. Das Interesse ist riesig, aus zig Ländern treffen Anfragen bei seiner Firma Siemens & Halske ein.
Werner Siemens will die Straßenbahnen elektrisch betreiben, mit 30 Sachen sollen sie durch Preußens Hauptstadt rauschen. Der Elektroingenieur hat im wahrsten Sinne des Wortes hochfahrende Pläne: Er wird Bahnlinien auf eisernen Säulen in den Straßen Berlins errichten! Eine Strecke im Zentrum der Stadt, die durch die Friedrichstraße und die Leipziger Straße führt. Als seine Hochbahnpläne an die Öffentlichkeit gelangen, gibt es massiven Widerstand von den Anwohnern. Der Protest gegen diese "Trasse der Verschattung und Verschandelung" verschreckt die Beamten der Stadtverwaltung, das Projekt wird nicht genehmigt.
Weltneuheit am Rande der Stadt
Doch einer wie Siemens gibt nicht so schnell auf. In Lichterfelde, am süd-westlichen Stadtrand, existiert noch ein Großteil des Gleiskörpers, der wenige Jahre zuvor zum Transport von Baumaterial für die riesige Preußische Kadettenanstalt genutzt wurde. Siemens erwirbt die vorhandene Gleisstrecke und nutzt sie für seine Elektrifizierungspläne. Nach mehrtägigen Probefahrten nimmt am 16. Mai 1881 die erste elektrische Straßenbahn der Welt in Berlin-Lichterfelde den fahrplanmäßigen Verkehr auf. Die drei umgerüsteten Pferdebahnwagen haben 16 Sitzplätze, insgesamt können sie 50 Personen transportieren. Zwölfmal am Tag legt die elektrische Tram die 2,5 Kilometer lange Strecke im Stundentakt zurück, dafür braucht sie nur zehn Minuten. Der Strom für den Elektromotor fließt durch die stählernen Gleise, was gefährlich für kreuzende Pferdefuhrwerke ist: Bei gleichzeitigem Berühren beider Schienen mit Vorder- und Hinterbeinen bekommen die Pferde einen Stromschlag.
Der große Durchbruch für die elektrische Straßenbahn kommt erst zehn Jahre später, nachdem der junge Ingenieur Walter Reichel – noch im Probejahr bei Siemens - den Bügelstromabnehmer erfunden hat. Fortan werden Straßenbahnen über Oberleitungen betrieben. 1902 ist es dann vorbei mit dem Hufgeklapper in Berlins Straßen, das einstige Pferdebahnnetz ist komplett elektrifiziert.