Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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6. März 2005 Edvard Munchs Gemälde aus norwegischem Hotel gestohlen

Mancher Plan klingt aufs erste perfekt, dann aber schnell nach totaler Pleite. So auch der Coup, den Diebe in Norwegen landen wollen. Das Gemälde von Edvard Munch, das sie aus einem Hotel klauen, erweist sich vergleichsweise wenig wert - und geschnappt werden die Täter auch gleich. Autor: Thomas Grasberger

Stand: 06.03.2023 | Archiv

06 März

Montag, 06. März 2023

Autor(in): Thomas Grasberger

Sprecher(in): Christian Baumann

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Gastfreundschaft ist ein schönes Wort, in allen Sprachen der Welt: Hospitality im Englischen, Vieraanvaraisuus bei den Finnen oder Manaaki bei den Maori in Neuseeland. Gastfreundschaft, das klingt nach Herzlichkeit und Wärme, nach bekömmlichen Speisen und kühlen Getränken; und was der Mensch sonst noch so braucht, um sich willkommen zu fühlen. Regionale Eigenarten gibt es da zuhauf. So gehört in Südnorwegen, wo Gjestfrihet ebenfalls großgeschrieben wird, mancherorts die Kunst zur Gastfreundschaft.

Künstlerische Gastfreundschaft

In der Nähe von Oslo etwa, da beglückt ein elegantes Hotel in historischem Gemäuer seine zahlenden Gäste mit mehr als 400 Werken von 90 namhaften Künstlerinnen und Künstlern. Zugegeben, einige Namen dürften ausschließlich den Freunden norwegischer Gegenwartskunst vertraut sein. Aber es sind auch ein paar echte Kracher dabei! Champions-League of art sozusagen, wo auch Otto-Normal-Betrachter gern mal ausruft: "Mensch, kenn ich! Hatten wir früher in der WG als Poster aufm Klo hängen!"

Abgehängt ...

Ganz berühmte Namen und Werke also, die - millionenfach reproduziert - zu Ikonen der Kunst aufgestiegen sind: Arbeiten vom Pop-Artisten Andy Warhol etwa. Oder von Edvard Munch, einem bedeutenden Wegbereiter des Expressionismus. Just von diesen beiden besitzt auch das südnorwegische Kunsthotel einige Bilder - Originale, versteht sich! Was nicht nur zahlende Hotelgäste anzieht, sondern manchmal auch zweifelhafte "Kulturfreunde". Wie am 6. März 2005:

An jenem Sonntagabend gegen 23 Uhr - das Hotelrestaurant hatte bereits geschlossen – drangen ungebetene Gäste in das Lokal ein, um sich an den Wänden zu schaffen zu machen. Die zwei Männer waren gerade dabei, Gemälde abzuhängen, als sie von einer Hotelangestellten überrascht wurden, was wiederum die Diebe so erschreckte, dass sie eines der Bilder fallen ließen: Glas kaputt, Rahmen kaputt! Aber egal, nichts wie raus! Die beiden konnten mit ihrer Beute entkommen.

Tags darauf stand es in allen Zeitungen: Drei von sieben Werken des berühmten Edvard Munch waren aus dem Hotelrestaurant gestohlen worden. Darunter ein Aquarell mit dem Titel "Blue dress" aus dem Jahr 1915. Geschätzter Marktwert: 360.000 Euro. Was ziemlich günstig ist, wenn man an jene Gemälde denkt, die wenige Monate zuvor aus dem Osloer Munch-Museum geraubt worden waren. Im August 2004 hatten maskierte Räuber mit Munchs berühmtem Bild "Der Schrei" einen millionenteuren Brüller des internationalen Kunstmarktes erbeutet. Verglichen damit war das "Blaue Kleid" nur ein Schnäppchen aus der Wühlkiste. Und obendrein nicht einmal das wertvollste an den Hotelwänden.

Nein, die beiden Kunstdiebe waren keine Profis, sondern eher Ganoven aus der Gauner-Regionalliga. Jedenfalls dauerte es keine 24 Stunden, bis die norwegische Polizei einen Fahndungserfolg vermelden konnte: Beute gesichert, Täter gefasst! Tja, vielleicht hätten sich die beiden Diebe mal besser nicht vom "Blauen Kleidchen" betören lassen, sondern lieber von einem roten Bordeaux. Einen feinen Weinkeller, so hört man, hätte das gastfreundliche Kunsthotel nämlich auch gehabt.


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