Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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11. Februar 1841 Die Uraufführung der Oper "Adelia" von Donizetti endet im Tumult

Eine Oper von Donizetti? Mit Superstar Guiseppina Strepponi? Das war 1841 ein Blockbuster, bei dem man dabei sein musste. Unbedingt. Und mit solcher Begeisterung war natürlich groß Kasse zu machen. Das wusste auch der Impressario Vincenzo Jacovacci und verkaufte weit mehr Tickets als es Plätze im Theater gab. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 11.02.2022 | Archiv

11 Februar

Freitag, 11. Februar 2022

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Irina Wanka

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Bacchus thront, Venus regiert, Rom ist außer Rand und Band. Geschiebe und Gejauchze überall. Balkone und Fenster sind bunt besegelt. In den Straßen wogen maskierte Gestalten. Trommeln und Flöten führen wirbelnde Narren am Seil. Aber all das muss Asche werden, ohimè! Bald beginnt das Fasten, vierzig Tage kein Schauspiel, kein Theater, keine Musik. Doch noch ist Karneval, eine Folge ausschweifender Feste und unersättlicher Opernvöllerei. Vor den tristen Wochen der kargen Zeit stopft sich die Stadt mit Rausch und Vergnügen auf Vorrat voll. Alle Bühnen haben jetzt nur einen Ehrgeiz: mit den größten Stimmen und dem neusten Werk eines gefeierten Meisters zu glänzen.

Zwei Opernleckerbissen auf einmal!

Diesmal hat Vincenzo Jacovacci die Nase vorn. Der gewiefte Impressario des Teatro Apollo hat Gaetano Donizetti nach Rom geholt! Neapel, Mailand, Venedig, Wien und Paris huldigen dem König des Belcanto. Nun schreibt er für Signor Jacovacci eine brandneue Oper. Adelia soll sie heißen, so viel ist durchgesickert, und dass die Zensur das Libretto durch die Mangel dreht wegen - oho! - vorehelicher Unterleiblichkeiten. Na, auf Donizetti ist eben Verlass! Und wer singt? Die strahlende Guiseppina Strepponi! Da locken zwei Leckerbissen auf einmal, nichts wie hin!

So machen's alle! Die Karten sind ratzfatz ausverkauft. Bleibt nur der Schwarzmarkt. Nicht billig, außerdem illegal, trotzdem: her mit den biglietti.

Am Tag der Premiere, am 11. Februar 1841, drängen und klumpen aufgeputzte Menschen vor dem Theater. Hinten drücken sie nach, vorne geht nichts mehr. Die Zugänge sind seit Stunden geschlossen, das Haus ist voll.

Jacovacci, dieser schuppige Sohn eines Fischhändlers, oder irgendein anderer Schurke hat falsche Tickets verscherbelt, zigmal mehr als es Plätze gibt. Alle, die jetzt pressen, schieben, stoßen, schreien, haben gutes Geld hingelegt und fordern Einlass.

Der Wahnsinn, der Oper heißt

Während drinnen die Ouvertüre im schneidigen Galopp voransprengt, Chöre schwellen, Arien perlen, überrennt draußen das Heer der Geneppten die Barrikaden. Die Menge flutet das Foyer, bestürmt den Zuschauerraum. Der Lärm schwillt an, es wird unruhig im Saal. Tuscheln, Flüstern, Hälsedrehen. "Aufmachen! Reinlassen!" toben die einen, "Ruhe! Maulhalten!" brüllen die andern.

Dann geben die Türen nach, die Ausgesperrten brechen durch. Vittoria e Vendetta! "Wo ist Jacovacci? Wo steckt der Gauner?" Wem im Gerangel um Gerechtigkeit und Vergeltung zuerst der Kragen platzt, warum etliche Herren in Zank geraten und handfest Ohrfeigen wechseln, wer könnte das sagen? Sicher ist nur: Adelia geht komplett aus dem Leim. Die Strepponi rauscht ab, der Maestro wirft hin, das Orchester packt ein. Da ist nichts mehr zu retten, Chaos total. Nur im Schnürboden gluckst der Teufel vor Wonne: Das ist ein Spiel nach seinem Geschmack, alles tanzt zu seiner Musik. Das Finale naht prestissimo. Tusch, Fanfaren: Auftritt der Polizei. Die Ordnungsmacht greift durch, räumt das Haus und führt Jacovacci in Handschellen ab.

O Dio! Was für ein Abend! Quel magnifico spettacolo! Wie arm wären wir ohne diesen seligen Wahnsinn, der Oper heißt!


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