Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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11. Januar 1966 Die Serie "Daktari" läuft zum ersten Mal im Fernsehen

Mich laust der Affe, wird sich mancher gedacht haben, statt selber in Zoo oder Zirkus marschieren zu müssen, bringt das Fernsehen mit "Daktari" fremde Tierwelten direkt ins Wohnzimmer. Autor: Thomas Grasberger

Stand: 11.01.2018 | Archiv

11 Januar

Donnerstag, 11. Januar 2018

Autor(in): Thomas Grasberger

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Der Philosoph und Kulturkritiker Theodor Wiesengrund Adorno war kein Freund des Fernsehens. Als Teil der Kulturindustrie im Spätkapitalismus sei es reiner Amüsierbetrieb, der den Einzelnen mit banalen Nichtigkeiten abspeise und auf seine Konsumentenrolle reduziere. Oder kürzer formuliert: Fernsehen macht doof. Und deshalb fand es auch der Miterfinder der Kritischen Theorie doof. Tiere hingegen mochte Adorno. Sie taten dem Philosophen leid, waren sie doch der gnadenlosen menschlichen Vernunft aufs unbarmherzigste ausgeliefert, als Objekte einer lückenlosen Ausbeutung – vom Schlachthaus bis zur Großwildjagd. Adorno geißelte das scharf.

Tiere sind zum Mögen!

Nun, eigentlich möchte man meinen, passen auch zoologische Gärten ganz gut in dieses Bild von der Unterdrückung unserer Mit-Geschöpfe. Aber da war Tierfreund Adorno weniger streng – was vermutlich an Basso lag. Die gezähmte Schimpansin war kurz vor dem Ersten Weltkrieg eine der Hauptattraktionen des Frankfurter Zoos. Dort ging Klein-Teddy sonntags gern mit seinen Eltern hin, um Basso beim Kunstradfahren und beim Seiltanz mit Schirm zu bewundern. Was ihn offenbar nachhaltig beeindruckte. Noch Jahrzehnte später pflegte der Philosoph einen herzlichen Briefkontakt zum Frankfurter Zoodirektor Bernhard Grzimek. Dem schrieb Adorno 1965: "Wäre es nicht schön, wenn der Frankfurter Zoo ein Wombat-Pärchen erwerben könnte?" Adorno fühlte sich von den putzigen Beutelsäugern nämlich an seine Kindheit erinnert. Und auch den Hirscheber und das Zwergnilpferd hätte er gern wieder im Gehege gesehen.

Tierische BRD

Nun sind die 1960er Jahre in der Bundesrepublik nicht unbedingt wegen ihrer zoologischen Innovationen in die Geschichtsbücher eingegangen, obwohl es mitunter schon tierisch zuging, auf Westdeutschlands Straßen. Schließlich wollten die Studenten damals den Spätkapitalismus auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgen; da kann es schon mal etwas lauter werden, auch samstags nach fünf.

Die rebellische Jugend jedenfalls trug seinerzeit die Werke des Philosophen Adorno unterm Arm, schließlich war der Meister ein großer Kritiker des Kapitalismus. Adorno selbst aber war nicht sonderlich begeistert von der Randale. War ihm wohl irgendwie zu wild und zu laut, das Ganze. Und überhaupt: Samstags nach fünf? Das ging ja schon mal gar nicht! Denn da saß der Philosoph mit seiner Frau Gretel auf dem Kanapee und schaute fern. Nein, nicht die Sportschau in der ARD – Adornos guckten lieber das Zweite. Denn dort lief jeden Samstag um 17 Uhr 45 Uhr "Daktari". Die tierischen Hauptdarsteller dieser US-amerikanischen Fernsehserie waren der schielende Löwe Clarence und die grinsende Schimpansin Judy. Die beiden liebte Adorno. Ob er vielleicht schon die amerikanische Erstausstrahlung am 11. Januar 1966 gesehen hatte? Oder ob er dann drei Jahre später, bei der deutschsprachigen Premiere im Januar 1969, zum ersten Mal gebannt vor dem Gerät saß? Das ist leider nicht bekannt. Klar ist nur: Allzu viele der insgesamt 89 Episoden konnte der Philosoph im ZDF nicht mehr genießen. Als im August 1969 in Folge 16 der Busch brannte, weil skrupellose Rhinozeros-Jäger ein Feuer gelegt hatten, da saß Theodor Wiesengrund Adorno schon nicht mehr vor dem Bildschirm. Er war drei Tage zuvor in den Schweizer Bergen einem Herzinfarkt erlegen.


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