Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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20. November 1908 Die Komödie "Moral" von Ludwig Thoma in Berlin uraufgeführt

Die hohen Herren und allgemeine Sittlichkeit respektive die eigene Sittlichkeit, das ist ein Drama wert, dachte sich Ludwig Thoma und machte flugs eine Komödie draus. Autorin: Regina Fanderl

Stand: 20.11.2018 | Archiv

20 November

Dienstag, 20. November 2018

Autor(in): Regina Fanderl

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Was ist das noch für ein Ludwig Thoma, seinerzeit, im Jahr 1908!!!

Liberal, frech, kritisch und voller Humor. Eine gute Zeit für den Schriftsteller – lange vor seinen ordinären antisemitischen und antidemokratischen Aufsätzen im Miesbacher Anzeiger.

Thoma hat gerade sein behagliches Anwesen "Auf der Tuften" oberhalb des Tegernsees bezogen, ist frisch-verheiratet mit der emanzipierten, jungen Tänzerin Marietta di Rigardo, genannt Marion, und voller Tatendrang. Oben, in der Bibliothek unter der Dachschräge, wächst am Biedermeier- Schreibtisch sein aktuelles Werk der Vollendung entgegen: das satirisch-saftige Lustspiel "Moral".

Erfahrungswerte

Anstoß für den boshaften Theatertext dürfte Thomas' persönliche Erfahrung gewesen sein. Er war 1906 zu sechs Wochen Haft in München-Stadelheim verurteilt worden, weil sich einige Mitglieder des örtlichen Sittlichkeitsvereins von einem seiner Spottgedichte beleidigt fühlten. Eine genüssliche Steilvorlage für den Schriftsteller, diese Sittlichkeitsvereine mit den Mitteln der Satire ordentlich abzuwatschen. Die fragwürdigen Organisationen entstanden Ende des 19. Jahrhundert zur Bekämpfung der "Unsittlichkeit", hauptsächlich der Prostitution – von der - nach Meinung besorgter Tugendwächter – selbstverständlich nur die unteren Schichten bedroht sind. In gehobenen Kreis sei dieses Thema kein Thema. Von wegen!

Denkste!

Im Dreiakter "Moral" entlarvt Thoma die Scheinheiligkeit gnadenlos und wie folgt: Einige Herrn, so genannte ehrenwerte Bürgern meist deutschnationaler Gesinnung, geratene wegen der amtlichen Konfiszierung eines Tagebuches arg in Bedrängnis. Es gehört der stadtbekannten Edelhure Ninon de Hauteville, die in darin fein säuberlich und mit Datum, die Namen ihrer Besucher eingetragen hat.

Pikanterweise ist – neben anderen, stadtbekannten Honoratioren und auffällig oft – auch der Präsident des Sittlichkeitsvereines aufgelistet, der nun Himmel und Hölle in Bewegung setzt, um in den Besitz des brisanten Büchleins zu kommen. Wenn die Geschichte bekannt würde, wäre es natürlich um die Moral "derer da oben" geschehen.

In ihrer Not bieten die feinen Herren der Kurtisane ein Schweigegeld von 15000 Mark an – verbunden mit der Forderung, dass sie ihr Geschäft einstellt und die fiktive Stadt Emilsburg umgehend verlässt. Der unmoralische Handel gipfelt darin, dass das Schweigegeld vom Sittlichkeitsverein zur Verfügung gestellt wird.

Genüsslich lässt Thoma einen der Scheinheiligen sagen: "Moralisch sein, das bringe ich in meinem Zimmer allein fertig, aber das hat keinen erzieherischen Wert. Die Hauptsache ist, dass man sich öffentlich zu moralischen Grundsätzen bekennt. Das wirkt günstig auf die Familie, auf den Staat."

Die Komödie ist gespickt mit zahlreichen Bonmots, Aphorismen und Giftpfeilen, die den Theaterbesucher mit der Erkenntnis heimgehen lassen, dass wer Moral predigt, sie meist nicht hat.

Die Uraufführung von "Moral" war am 20. November 1908 an der Kleinen Bühne im preußischen Berlin und machte den Zuschauern großen Spaß.

Das Stück zählt zu Ludwig Thomas größten Erfolgen und wurde zu einem Klassiker unter den deutschsprachigen Komödien.


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