Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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15. September 1994 Die Deutsche Eishockey-Liga nimmt Spielbetrieb auf

Früher war alles besser? Auch beim Eishockey, bevor die DEL sich als erste Sportliga in Deutschland, die als Kapitalgesellschaft organisierte? Davor gingen Eishockey-Clubs jedenfalls reihenweise pleite. Autor: Johannes Roßteuscher

Stand: 15.09.2020 | Archiv

15 September

Dienstag, 15. September 2020

Autor(in): Johannes Roßteuscher

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Wie heißt ein anständiger Fußballverein? TSV. Oder: FC. Der Rekord-Pokalsieger in Spanien heißt zum Beispiel so. Jedenfalls ein schönes Kürzel für einen Fußballclub. Im Eishockey, einer noch schöneren Sportart, da heißt ein anständiger Verein zum Beispiel EV. Das steht dann für Eislauf- oder Eissportverein. Oder Schlittschuhclub, SC. Tolles Kürzel, ehrwürdig und schön.

Und damit wären wir bei der Frage angelangt: Wie wollen wir es haben im Leben?

Ehrwürdig oder modern?

Ehrwürdig und schön? Oder modern, mit all der der Moderne innewohnenden funktionalen Hässlichkeit? Oder manchmal sogar: neureichen Protzerei? Die einfache Frage ist ... nicht so einfach zu beantworten.

Es ist nämlich so: Die Welt dreht sich behaglich dahin, aber immer kommt einer und sagt: die Welt hat sich gedreht, merkt Ihr das nicht??

Im Jahr 1993 verkünden mehrere Eishockeyfunktionäre, manche mit so sonderbaren Namen wie Bernd Schäfer III, unermüdlich und penetrant: Eine Neuerung muss her! Eine Revolution, ein "historischer Schritt für den Deutschen Sport".

Die Neuerer wollten aus der ehrwürdigen Eishockey Bundesliga mit all ihren Derbys und klangvollen Rekordmeistern die DEL, die Deutsche Eishockey Liga, werden lassen. In der plötzlich die Frankfurt Lions gegen die Kassel Huskies spielten!!!

Musste das sein?

Das musste sein. Sagte nicht nur der olle Schäfer aus Köln, sondern sogar der brave Reindl Franz aus Garmisch, damals Geschäftsführer beim Deutschen Eishockey Bund.

Und vielleicht hatte er ja sogar recht. Schaute man damals der Eishockey-Wahrheit nämlich einmal ins ungeschminkte, dafür umso zernarbtere Gesicht, wäre es wohl nicht mehr lange weiter gegangen mit den ganzen EVs und ECs, wo das Pleitegehen genauso zum Brauchtum gehörte wie die Nachwuchsarbeit.

Fast alle gaben mehr Geld aus als sie hatten, kalkulierten mit Zuschauern, die nicht kamen oder verließen sich auf Sponsoren, die Pleite machten.

Und weil Eishockeyleute nicht nur gerne in bayerische Alpentäler schauten, sondern fast noch lieber nach Nordamerika, wo Eishockeymannschaften nicht pleitegingen, sondern riesige Gewinne einspielten, deshalb sagten jetzt dieser Schäfer und der Reindl Franz und noch ein paar andere: das machen wir auch. Eine mächtige Liga mit einer zentralen Organisation, mit Franchising und Merchandising und lauter so Zeug. Aber vor allem mit Adleraugen auf die Etats der Vereine. Ein bissl amerikanisch, ein bissl neureich, ein bissl deppert, aber auf lange Sicht erfolgreich.

Am 15. September 1994 gab es das erste Bully in der DEL. Die Augsburger Panther, übrigens keinen Deut geschmeidiger als der alte AEV, empfingen die Maddogs aus München.

18 Mannschaften kurvten von nun an in der neuen Liga herum. Panther, Adler, Lions, Huskies. Die albernen Namen waren Teil des Marketingkonzepts. Dafür war der Abstieg abgeschafft. Was zählte, waren die Wirtschaftsdaten der Mannschaft.

Erst blieben die Zuschauer aus, aber dann kamen sie zurück, und zwar mehr als zuvor. Der Abstieg wurde wieder eingeführt und Pleiten gab es kaum mehr. Dafür zog sich eine Traditionsmannschaft nach der anderen in niedrigere Ligen zurück, aber das war in der alten Bundesliga auch schon passiert. 

Wie ist es also besser: traditionell schön, oder rational modern? Wieder mal die Kernfrage nicht gelöst.


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