Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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17.05.1952 Deutsch-österreichische Springertournee ins Leben gerufen

Eine gute Idee am Anfang und ein paar Leute, die sie direkt umsetzen – mehr braucht es oft nicht.. Was als Gedanke am Wirtshaustisch beginnt, wird das größte Skisprung-Event werden. Autor: Johannes Roßteuscher

Stand: 17.05.2018 | Archiv

17 Mai

Donnerstag, 17. Mai 2018

Autor(in): Johannes Roßteuscher

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Die Bauernstube vom Hotel Maier in Partenkirchen. Dunkles Holz, ein Kachelofen, Rauch hängt in der Luft. Im Eck sitzt eine Handvoll Männer. Der Glos Toni ist dabei, der Rappenglück Franz, der Hartl Beppi und der Pepeunig Putzi. Die Hautvolee des Skiclubs Partenkirchen, dazu Wintersportprominenz aus Innsbruck. Die Männer besprechen eine verwegene Idee: Eine Serie von internationalen Skispringen in Bayern und im grenznahen Österreich. Hier, auf der Olympiaschanze in Partenkirchen, drüben in Innsbruck, in Bischofshofen im Salzburger Land und noch irgendwo anders in Bayern, wo es eine gescheite Schanze gibt. So eine „deutsch-österreichische Springertournee“ - das wäre doch eine Riesensache.

Alle sind dafür. Doch organisiert ist sowas nicht über Nacht. Fast vier Jahre lang wird geplant und, wie es heißt, hitzig diskutiert.

Endlich, im späten Frühjahr 1952, ist alles festgelegt. Am 17. Mai halten die Innsbrucker an der Seegrubenschanze hoch über der Stadt im letzten Schnee ein Nachtspringen ab. Die angemessene Kulisse, den gerade fertiggestellten Organisationsplan für die erste Tournee vorzulegen. Oberstdorf ist vierter Austragungsort, als erstes Springen sieht der Plan das traditionsreiche Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen vor.

Zu dem kommen dann, je nach Quelle, 20 oder 30.000 Zuschauer. Der junge Norweger Asgeir Doelplads gewinnt vor dem österreichischen Routinier Sepp „Buwi“ Bradl, der am Ende erster Gesamtsieger sein wird. Er springt noch im alten Stil mit weit vorgestreckten Armen, und wie das Foto zeigt, genauso weit offenem Mund. Die deutschen Springer heißen mit Vornamen entweder Sepp, Toni oder Franz – kein Witz.

Wie auch immer: das Ganze wird ein großer Erfolg. Die Springer sind begeistert, das Publikum auch, kurz darauf steigt das Fernsehen ein.

Petrus dagegen ist zunächst eher unkooperativ: Gleich im zweiten Jahr liegt so wenig Schnee, dass die Tournee abgesagt werden muss. Die Österreicher kriegen das nicht mit und reisen trotzdem an. Bei ihrer Ankunft in Oberstdorf beginnt es heftig zu schneien. Per Telegramm werden die anderen Verbände verständigt, Springer und Funktionäre präparieren die Schanze, die Tour findet statt.

Und schon nach wenigen Jahren ist sie zum wichtigsten Skisprungereignis der Welt geworden.

Und verändert sich Jahr für Jahr genauso, wie sich das Skispringen verändert, oft gibt sie auch den Takt vor. Erst setzt sich hier der moderne finnische Stil mit angelegten Armen durch, Jahrzehnte später der V-Stil mit gespreizten Skiern. Die Fernsehübertragungen werden immer ausführlicher und zeitweise zum Werbungsspektakel. In den 2000er Jahren locken Martin Schmitt und Sven Hannawald kreischende Mädchen in die Stadien. Die Springer tragen mittlerweile sonderbare Anzüge, bei denen jeder Zentimeter zusätzlicher Stoff mehrere Meter auf der Schanze ausmacht. Dafür werden sie selbst immer dünner.

Schon famos, wohin sie sich entwickelt hat, die Idee in der dunklen Bauernstube vom Hotel Maier. Die natürlich immer der Ausgangspunkt bleiben wird. Denn wie sagte schon der fünffache Tourneesieger Janne Ahonen: Das Fundament ist die Basis der Grundlage. 


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