Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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12. Januar 1904 Der Herero-Aufstand bricht aus

Am 12. Januar 1904 begann der Aufstand der südwestafrikanischen Herero gegen die deutsche Kolonialmacht. Nicht nur die Militärs, auch die deutsche Literatur der Zeit schwelgte in rassistischen Phantasien. Autor: Markus Mähner

Stand: 12.01.2018 | Archiv

12 Januar

Freitag, 12. Januar 2018

Autor(in): Markus Mähner

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

So liebe Kinder, und nun gibt es noch eine kleine Geschichte zum Schluss: Hört brav zu und passt gut auf. Es ist eine Geschichte über unsere stolzen deutschen Soldaten, die in Afrika gegen die Wilden kämpfen mussten:

"In den Herzen aller eingeborenen Bewohner unseres südwestafrikanischen Besitzes lebt ein unbändiger Hass gegen alle Weißen, ein Hass, den kein Taufwasser erlöschen und keine Kultur verschwinden machen wird, solange die Beherrscher dieses Landes eine weiße Haut tragen. Da wir aber nicht schwarz werden wollen und können, und auch nicht gesonnen sind, diesen Besitz jemals wieder aufzugeben, [...] so muss unsere Haltung den Schwarzen gegenüber stets gekennzeichnet sein durch den Ruf: Muhérero rikárera - Nimm dich in acht, Herero! "

Rassismus für die ganze Familie

So steht es tatsächlich in dem "Jugend- und Familienbuch" Muhérero rikárera - Nimm dich in acht Herero! Der beliebte Roman für die ganze Familie erschien 1904. Am Anfang des Jahres, am 12. Januar 1904, hatten mehrere Angehörige der Herero deutsche Farmer angegriffen und eine Eisenbahnlinie zerstört. Der Herero-Aufstand war ausgebrochen.

Die Herero hatten die Kolonialisten satt. Sie litten unter dem Verlust ihres Landes an die immer aggressiver auftretenden deutschen Farmer, und mussten jetzt sogar fürchten in Reservate abgedrängt zu werden. Es begann ein "Rassenkampf", wie es der damalige Militäroberleutnant Lothar von Trotha ausdrückte.

In dem schon zitierten erbaulichen Familienbüchlein steht es so: "Jetzt ist es ein Rassenkrieg zwischen Schwarz und Weiß, und der muss ausgefochten werden bis zur endgültigen Entscheidung. Die Herero haben sich entweder zu unterwerfen, oder sie werden ausgerottet, etwas anderes ist nicht denkbar."

Und so ähnlich kam es auch. Der Aufstand der Herero gipfelte in der sogenannten "Schlacht am Waterberg". Die viel besser ausgerüsteten deutschen Militärs drängten die Herero in die Steppe zurück und riegelten dort gleichzeitig die wenigen Wasserstellen ab.

Jeder Herero - auch Frauen und Kinder -, der versuchte zu entkommen oder an Wasser zu gelangen, wurde eiskalt erschossen. Von den 100.000 in Namibia lebenden Herero waren nach wenigen Jahren nur noch 15.000 übrig.

Keine Reparationszahlungen

Solche "Heldentaten" waren auch ein Thema für die deutsche Literatur der Zeit. Dort wird den Herero in der Regel jegliche Kultur, ja sogar das Menschsein abgesprochen. Oft ist gar nicht von den Herero die Rede, sondern nur von einer "Schwarzen Masse", oder einem zum Leben nicht bestimmten "Es". Der für den Literatur-Nobelpreis gehandelte Gustav Frenssen schreibt sogar, den in der Steppe zurückgedrängten Herero würde "zum Tode verholfen"! Gerade so, wie wenn man ein krankes Tier einschläfert. Die Vernichtung als barmherzige Notwendigkeit!

Noch heute ist diese Episode der deutschen Geschichte nicht richtig aufgearbeitet. So heißt es etwa in einem Reisebildband aus dem Jahr 1990, dass die "wenigen Wasserstellen" für die große Anzahl der Flüchtlinge nicht ausreichten - "Tausende verdursteten". Kein Wort davon, dass genau das der Plan der deutschen Militärs war. Helmut Kohl war bei Besuchen in Namibia nicht einmal gewillt, Angehörigen der Herero die Hand zu schütteln. Reparationszahlungen sind noch immer eine Streitfrage. Als der Münchner Stadtrat 2006 beschloss, die Von-Trotha-Straße umzubenennen, waren die Stimmen gemischt. Die Straße sei doch nicht jenem General von Trotha gewidmet, der den Genozid an den Herero zu verantworten hat, sondern seiner ganzen Familie. Trotzdem: Jetzt heißt sie Hererostraße. Ironie der Stadtplanung: Sie wird noch immer von der Waterbergstraße gekreuzt!


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