Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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1. Dezember 1903 Der erste Western der Filmgeschichte

Zwölf Minuten, die das Kino und die Welt des Films für immer veränderten: Edwin S. Porters "Der große Eisenbahnraub" aus dem Jahr 1903 war nicht nur der erste Western, sondern gilt auch als der erste Actionfilm und setze schon damals Maßstäbe in puncto Schnitt, Kameraführung und Spezialeffekte. Autor: Frank Halbach

Stand: 01.12.2021 | Archiv

01 Dezember

Mittwoch, 01. Dezember 2021

Autor(in): Frank Halbach

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Es war einmal vor langer Zeit, im fernen Amerika an einem Ort namens Hollywood… In den 1920er Jahren brachte man von dort aus jede Woche neue Filme ins Kino, in denen es vor allem darum ging, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Personen schnell reiten zu lassen, damit sie rechtzeitig zur Schlussprügelei zur Stelle waren.

Überfall, Verfolgung Showdown…

Western von gestern. Der erste Western von gestern war natürlich gar nicht von gestern. Er stammt vielmehr aus einer Zeit, als es den Wilden Westen noch wirklich gab. Also fast. Wyatt Earp, der berühmteste aller Marshals war 55, und damit zwei Jahre jünger als der berühmteste aller Trapper, Buffalo Bill.

Denn der allererste Western der Filmgeschichte kam am ersten Dezember 1903 ins Kino. Titel und Handlung des Streifens: "Der große Eisenbahnraub" des Regisseurs Edwin S. Porter. Die einen überfallen die Eisenbahn, die anderen verfolgen die Räuber. Die einen verbreiten Chaos, die anderen versuchen, die Ordnung wieder herzustellen. Die Guten müssen für Moral und Gesetz kämpfen, denn das Böse ist immer und überall, im Wilden Westen gleich gar. All das dauert zwölf Minuten und ist bis heute der Kern aller abendfüllenden klassischen Western geworden. Porters "Der große Eisenbahnraub" ist darüber hinaus nicht nur der erste Western, sondern auch der erste Actionfilm. Hier seien „alle kommenden Spielfilme angelegt", meinte der deutsche Filmkritiker Joe Hembus: "Überfall, Verfolgung, Showdown, ausgeschmückt mit Mord, Terror, Brutalitäten, Humor, unter Einsatz von schnellen Transportmitteln."

Western von gestern

Innovativ auch der Filmschnitt, eine Technik, die damals noch in den Kinderschuhen steckte. In parallel montierten Sequenzen springt Porter im Film hin und her zwischen Handlungen, die gleichzeitig stattfinden. Sogar Kameraschwenks gibt es schon.

Die Mutter aller Western wird ein Riesenerfolg und kostet gerade mal 150 Dollar, das sind inflationsbereinigt immer noch nicht mal 4.500 Dollar. Zum Vergleich: Kevin Costners "Der mit dem Wolf tanzt" kostete an die 19 Millionen.

Die berühmte Szene am Schluss des "großen Eisenbahnraubs", als der Anführer der Gangster in die Kamera zielt und schießt bis sein Revolver leergeschossen ist, soll das Kinopublikum von damals übrigens immer wieder in Panik versetzt haben. Vielleicht übertrieben, aber von Porter wohl kalkuliert: Ein Werbegag, denn die Sequenz hat null Zusammenhang zum Rest dieses bahnbrechenden Western von gestern. Wer sich übrigens noch an das gleichnamige Vorabendprogramm des ZDF von 1978 bis 1986 erinnern kann, kennt diesen Revolverhelden aus dem Intro: Mit seinem Colt zielte er auch siebeneinhalb Jahrzehnte nach seiner Entstehung direkt aus der Mattscheibe heraus ins Wohnzimmer und feuerte.


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