Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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4. Februar 1979 Der Doktor und das liebe Vieh Erstausstrahlung

Unter dem Pseudonym James Herriot veröffentlichte der britische Tierarzt James Alfred Wight seine Erzählungen über einen jungen Veterinär in den Yorkshire Dales. Die BBC erkannte das Potential der Geschichten und machte daraus eine Serie. Es wurden sieben Staffeln mit beinahe 90 Folgen. Autor: Johannes Roßteuscher

Stand: 04.02.2022 | Archiv

04 Februar

Freitag, 04. Februar 2022

Autor(in): Johannes Roßteuscher

Sprecher(in): Irina Wanka

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

In den 90er Jahren existierte im Münchner Stadtteil Schwabing eine Studenten-WG. Bewohnt ausschließlich von angehenden Tiermedizinern – das heißt: hier ging es diszipliniert zu. Wer nicht im Hörsaal war, um sich vom Professor abkanzeln zu lassen, saß am Schreibtisch und büffelte den Vermehrungszyklus des Kleinen Leberegels oder das Cushing-Syndrom bei Hunden – jetzt schon wissend, dass er vom Professor dafür abgekanzelt würde. 

Der junge Tierarzt in den Yorkshire Dales

Doch jeden Nachmittag, Punkt 17 Uhr, hellten sich die Mienen der Büffelnden auf. "Kinder, Fernsehstunde!" Die inoffizielle WG-Chefin rief zum Serienschauen. Wer da war, schlug das Buch über die Rinderkrankheiten zu und eilte ins Fernsehzimmer.

Wo schon der Vorspann lief und instantan altbritische Gemütlichkeit verbreitete. Die beschwingte Titelmelodie, der schwarze Oldtimer, der emsig die Hügel der Yorkshire Dales hinaufkletterte – und über allem das Wissen, dass gleich Ungeheuerliches passieren würde.

Denn die ganze Heiterkeit war eigentlich ein Witz, pure englische Ironie. Jeder Kenner wusste: das schwarze Auto fuhr geradewegs ins Ungewisse, ins Abenteuer, ins Unvorhersehbare.

Vielleicht war James Herriot, der junge Tierarzt, auf dem Weg zu einem primitiven zugigen Verschlag irgendwo auf einer abschüssigen Wiese. Vielleicht zu einem übelgelaunten Pferdebesitzer, dessen lebensgefährlicher Gaul sich schon zum Ausschlagen bereit hielt. Womöglich auch ins warm geheizte Wohnzimmer der reichen Mrs. Pumphrey und ihrem so übergewichtigen wie gutmütigen Pekinesen Tricki Woo. Oder am Ende sogar auf dem Weg zu einem weiteren, grandios scheiternden Rendezvous mit der Bauerstochter Helen Alderson.

Der Doktor und die lange Serie

Ursprünglich verfasst hat das ganze James Alfred Wight, ein leibhaftiger Tierarzt, der von 1939 bis 1991 in Nordengland praktizierte – und abends seine Erlebnisse aufschrieb. Warmherzige, oft aberwitzige Geschichten, durchzogen von der Liebe zu Tieren und Menschen – und zur zugigen Landschaft in Nord-Yorkshire.

Alleine das Personal: der eifrige, immer etwas unsichere James, der am Ende doch das Mädchen kriegt. Der humorvolle, cholerische, krass wankelmütige Chef Siegfried. Und dessen charmanter, leichtlebiger kleiner Bruder Tristan, ewiger Student und Frauenheld.

Und dann das Setting: jede Episode eine kleine Heldenreise: das abgelegene Gehöft, der grimmige Bauer, das leidende Tier, die rätselhafte Erkrankung. Manchmal der Geistesblitz des Veterinärs, die rettende Spritze – manchmal auch das völlige Scheitern mit anschließender Heimfahrt durch Dunkelheit und nordenglischen Regen.

Wights Bücher wurden fast auf Anhieb Bestseller. Die BBC erkannte das Potential zur Serie, die dann fast noch erfolgreicher wurde. Insgesamt 87 Folgen ab Januar 1978. Und schon am 4. Februar 1979 kam die erste synchronisierte Folge in die ARD.

Wie viele junge Menschen auf der Welt wegen James Herriot beziehungsweise Alfred Wight Veterinärmedizin studierten, ist statistisch nicht erfasst. Gewiss nicht wenige. Aber, so ehrlich muss man sein, sie dürften ihn, über ihre Bücher gebeugt, oft genug verflucht haben. Von den heiteren Fernsehstunden am Nachmittag natürlich abgesehen.


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