Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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6. März 1801 de Sade wird verhaftet

Ein Narr sei, wer sich durch Moralideen fesseln ließe, meinte de Sade. Nicht der schlechteste Ansatz, wenn es um Kunst geht. Aber für das reale Leben? Autorin: Julia Zöller

Stand: 06.03.2018 | Archiv

06 März

Dienstag, 06. März 2018

Autor(in): Julia Zöller

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Er war ein schrecklicher Mensch, abnorm. Mehr noch, aber das würde zu ordinär, also wenigstens: ein perverser Verbrecher – Donatien Alphonse Francois de Sade, geboren im Juni 1740 in Paris. Huuuuu, de Sade!

Der "berühmte" Marquis de Sade hat 15 Jahre seines Lebens in französischen Gefängnissen gesessen, und rund 11 Jahre in der  Psychiatrie verbracht. Ihm ist nie ordentlich der Prozess gemacht worden, was seine Verteidiger gern erwähnen, verdient hat er trotzdem jeden Tag seiner langen Haft. Denn Marquis de Sade hat sich bedient wo er nur konnte.

Egal, dass er hundertfach seine Frau betrog – man hatte einander schließlich nicht ausgesucht. Egal, dass er auf fremde Kosten lebte, letztendlich auch egal seine extrem brutalen pornographischen Schriften, für die er weltberühmt ist.

Phantasie und Wirklichkeit

Verdient hatte Marquis de Sade das Gefängnis dafür, dass er seine Phantasien auch ausgelebt hat. Als er 23 ist, wird er zum ersten Mal von einer Pariser Prostituierten wegen Misshandlung angezeigt. Seitdem ist dem Marquis aus altem Adel die Sittenpolizei von Paris auf den Fersen. Er kauft sich junge Frauen, Männer, sogar Jugendliche, nimmt sie mit auf seinen Landsitz. De Sade inszeniert perverse Orgien, traumatisiert und verletzt. Ist ja nur Volk. Adelige Gespielinnen bekommen seitenweise romantische Liebesbriefe.

Mitleid, Reue,  Scham – keine Kategorien für de Sade. Auch nicht, als er ab 1777 in Haft sitzt. Er sieht sich als Forscher – wenn nicht Philosoph, der menschliche Abgründe vermisst und dafür menschliches Material nutzt. Weil ihm das in der Zelle nun abhanden gekommen ist forscht er literarisch weiter. De Sade schreibt im Gefängnis und spielt auf dem Papier durch was Männer Frauen, Frauen Männern und Kindern antun könnten, wenn Qual die Lust steigert, und es keine Grenzen gibt. Nicht einmal den Tod.

"Was wir Liebe nennen, ist mit einem Wort nur Begierde"

In den Mauerritzen der berühmten Bastille in Paris versteckt de Sade sein Manuskript zu den "120 Tagen von Sodom". Dort bleibt es auch, als die Französische Revolution ihn 1790 überraschend in die Freiheit spült. Ohne Umschweife sucht er einen Verlag, um seine geretteten Schriften anonym in Umlauf zu bringen. "Achtung, jetzt wird’s bös", warnt er im Vorwort seines Romans über die Prostituierte Juliette – und ihre in unzähligen Varianten missbrauchte Schwester Justine. Natürlich steigert diese Ansage das Interesse vieler sensationslüsterner Leser, natürlich ist de Sade bald enttarnt – die Polizei erwischt ihn am 6. März 1801 im Büro seines Verlegers, ein Manuskript in der Hand. Diesmal landet de Sade in der Psychiatrie.

Keine schlimme Strafe für einen Erforscher von Abgründen. De Sade macht es sich bequem in der Anstalt, gibt den Theaterpädagogen, inszeniert harmlose Komödien und schreibt subtiler grauenhaft.

Dass bei de Sade die meisten prickelnde Fesselspielchen in Lack und Leder denken, ist ein großes erotisches Missverständnis. Wie sagte de Sade selbst: "Es ist nicht schlimm, wenn man missverstanden wird, schlimmer ist es, wenn man verstanden wird.“


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