Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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8. August 1900 David Hilbert stellt 23 ungelöste mathematische Probleme vor

David Hilbert – einer der bedeutendsten Mathematiker der Neuzeit. Seine Liste von 23 mathematischen Problemen, beeinflusste die mathematische Forschung des 20. Jahrhunderts nachhaltig. Autor: Martin Trauner

Stand: 08.08.2018 | Archiv

08 August

Mittwoch, 08. August 1900

Autor(in): Martin Trauner

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Nein, dieses Hotel kann man bei keinem Internetportal buchen. Obwohl es wirklich sehr, sehr groß ist. Es heißt nach seinem Besitzer: das "Hilbertsche Hotel". Die Mathematiker unter uns wissen natürlich jetzt sofort Bescheid, in dem Hotel haben sie schon mehrere schlaflose Nächte verbracht. - Bewertung: so zwischen einem und unendlich vielen Sternchen. Für alle freilich, die zum ersten Mal im Hilbertschen Hotel reservieren wollen, ein kleiner Vorgeschmack: Das Hotel hat, ja: tatsächlich - es hat unendlich viele Zimmer. Und die sind auch noch alle besetzt. - Mist! - Weil: jetzt kommen wir, als neuer Gast zum Hotelchef Hilbert und fragen, ob nicht doch noch ein Zimmer frei sei? --- (auf ostpreussisch, im Königsberger Dialekt) "Nun, macht nichts", sagt der, "kein Problem, das Hotel hat ja unendlich viele Zimmer". Also zieht halt jeder Gast ein Zimmer weiter, so wird Zimmer 1 für uns als Neuankömmling frei. Schon paradox, das mit der Unendlichkeit, möchte man meinen, aber: Platzproblem gelöst. - Das funktioniert natürlich nur in der Gedankenwelt eines Mathematikers. Des Mathematikers und Gedankenexperimentshoteliers David Hilbert.

Wir müssen wissen

Mathematiker gehören nachweislich der Spezies der seltsamen Vögel an, David Hilbert aber zeichnete sich als besonders rares Exemplar aus: Für ihn bestand die Welt ausschließlich aus Mathematik: aus Zahlen, aus Variablen, vor allem aus Axiomen, Und für ihn hieß das: Alles, also wirklich: jedes Problem kann die Königin der Wissenschaften lösen. Selbst das mit einem unendlich ausgebuchtem Hotel. - Ein "Ignorabimus", also ein "wir werden es niemals wissen", so meinte er, das gibt's doch nicht. Man braucht nur genug Hirnschmalz. - Also stellte er am 8. August 1900, in Paris, bei einem Mathematiker-Kongress, 23 ungelöste Probleme der Mathematik vor. Nicht jeder der 250 anwesenden Kollegen soll seinen Vortrag auf Anhieb verstanden haben, was aber auch daran gelegen haben könnte, dass der gebürtige Königsberger David Hilbert sein Anliegen in einem leicht ostpreusselnden Singsang referiert hatte.

Wir werden wissen

Nun: heute weiß man, dass die Mathematik vieles kann, nur nicht alle Probleme lösen.

Zwar sind etliche der 23 Hilbertschen Probleme tatsächlich enträtselt, andere freilich gelten als unlösbar, etwa: weil die Fragestellung unsauber ist. Und auch David Hilbert hätte eigentlich seiner Zeit schon merken müssen, dass die Mathematik nicht in allen Lebenslagen hilft. Mit Albert Einstein befehdete er sich, der war zwar seiner Meinung nach ein einigermaßen anständiger Physiker, aber was für ein lausiger Mathematiker! - Und seinen Sohn schickte Hilbert zum Psychiater. Der war schlecht in der Schule, vor allem in der Mathematik. Wahrscheinlich bewegte sich der so im Rahmen eines Albert Einsteins...

Trotzdem gilt David Hilbert als einer der letzten seiner Art. Einer, der noch die Welt der Axiome überblicken konnte. Auf seinem Grabstein in Göttingen steht: "Wir müssen wissen, wir werden wissen". Sein Leitspruch.


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