Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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29. Juli 1817 Das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt in Berlin brennt ab

Als das Schauspielhaus am Berliner Gendarmenmarkt brennt, bleibt einer der Anwohner cool: E.T.A. Hoffmann schleppt nicht sofort alle Möbel zur Sicherheit auf die Straße. Das Feuer, man werde es schon löschen. Allerdings verbrennen die Kulissen zu seiner Oper "Undine". Die wird nicht wiederaufgeführt.

Stand: 29.07.2021 | Archiv

29 Juli

Donnerstag, 29. Juli 2021

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach / Susi Weichselbaumer

Wir sind in Berlin. In der Taubenstraße, in einem dreistöckigen Eckhaus, wohnt der Dichter und Komponist E.T.A. Hoffmann. Hoffmann ist glücklich. Die Zeit des Darbens und Dauerns ist vorbei, Hoffmann ist jetzt Kammergerichtsrat mit festem Gehalt, und dann sind da auch noch die vierzehn Aufführungen seiner Oper "Undine", mit phänomenal großem Erfolg. Das Theater ist nicht weit, ein paar Schritte bloß, vom Fenster aus kann Hoffmann den Gendarmenmarkt sehen und das Theater. Und so hat auch das Feuer, das am 29. Juli des Jahres 1817 im Schauspielhaus ausbricht, nicht weit zu ihm.

Es brennt!

Später wird Hoffmann erzählen, wie er an dem Tag am Schreibtisch sitzt, als seine Frau - ganz blass - zur Tür hereinkommt und sagt: "Mein Gott, das Theater brennt." Was tun? Die Gefahr ist groß, dass Funken durch die Luft fliegen und auch ihr Haus zu brennen anfängt. Die Nachbarn sind bereits alarmiert, in aller Eile trägt man die Möbel nach vorne auf die Straße, Betten, Schränke, Tische, Stühle, alles wird in Sicherheit gebracht, nur Hoffmann macht das nicht. Er lässt seine Möbel nach hinten ins Haus räumen, so lange hier noch nichts brennt, ist mehr nicht notwendig, meint er, und später wird er froh darüber sein, weil von den Nachbar-Möbeln auf der Straße vieles gestohlen wird, und bei den seinen nicht. Es kommen Feuerarbeiter, so nennt sie Hoffmann, sie bespritzen die Hausfronten, vor allem die hölzernen Balken, mit Wasser, und das ist klug, denn die Hitze ist derart, dass in den Zimmern zur Straße hin alle Fensterscheiben zerspringen, und von den Wandbalken tropft die geschmolzene Ölfarbe.

Abwarten, erst mal abwarten

Und dann spricht es sich herum wie ein Lauffeuer. Im Theater hat die Perückenkammer Feuer gefangen. Das ist der Ort, in dem die großen, weißen Zopf-Perücken gelagert werden. Fünftausend Perücken steigen in der glühend heißen Luft wie Fesselballone in die Höhe und fliegen davon. Was für ein Anblick. Besonders eine, mit einem sehr langen Zopf, schwebt wie ein bedrohlich feuriger Meteor in die Luft und bleibt dann aber ausgerechnet über dem Gebäude der Bank unbeweglich stehen. Was, wenn das Ding jetzt plötzlich runterfällt? Und mit der Bank alles Papiergeld, Aktien und Wechsel verbrennen? Die Leute in den Straßen sind aufgeregt. Wie soll man die Gefahr bannen, wie diesen riesigen Feuerball vom Himmel holen? Doch es naht schon Rettung. Ein mutiger Soldat, schreibt Hoffmann, ein Gardejäger, steigt durch ein Fenster aufs Dach des Nebenhauses und schießt das brennende Ding mit seinem Gewehr schräg vom Himmel. "Zischend und brausend" fällt die Riesenperücke herunter und landet im "Pißwinkel eines Weinhauses", wo sie qualmend liegen bleibt. Die Berliner atmen auf. Später wird Hoffmann für einen Freund, damit der sich ein Bild davon machen kann, die ganze Szenerie zeichnen. Brennendes Theater, Flammen überall, in der Luft: fliegende Feuer-Perücken, und auf dem Dach: der Gardejäger mit Gewehr. Wenn's nicht wirklich passiert wäre, könnte man glatt meinen, Hoffmann mit seiner kuriosen Fantasie habe sich das alles bloß ausgedacht.

Die Bühnenbilder übrigens zur "Undine", die sind an dem Tag auch alle verbrannt. Und Hoffmanns Oper ist danach nicht wiederaufgenommen worden. So war das trotz allem auch für Hoffmann letztendlich kein wirklich guter Tag.


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