Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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26. August 1953 Das Cinemascope-Verfahren wird in Deutschland vorgestellt

Wie macht man dem Fernsehen Konkurrenz? Das war die Frage vieler Kinofilmgesellschaften in den 50er Jahren. Per Breitwand!, lautete die Antwort. 1953 erstrahlten die ersten Filme im Cinerama-Format. Autorin: Christiane Neukirch

Stand: 26.08.2020 | Archiv

26 August

Mittwoch, 26. August 2020

Autor(in): Christiane Neukirch

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

An der schwarzen Wand in dunklem Raum hängt ein Altargemälde: Jesus am Kreuz. Unter ihm klein und ratlos: die Jünger – stoisch: die Pferde – um das Gewand Christi würfelnd: eine Gruppe Soldaten. Das Bild ist so breit wie die Wand, riesig und bedrohlich schwebt es vor den Köpfen der Anwesenden. Unmöglich, sich der Szene zu entziehen. Die Szene ist in Bewegung. Denn sie spielt im Kino.

Wir schreiben das Jahr 1953. Die Zuschauer des Films "The Robe" –  "Das Gewand" - erleben gerade eine ganz besondere Premiere in der Geschichte der Filmtechnik.

Rückblende: Als die Bilder laufen lernten, waren sie 35 Millimeter schmal – zumindest auf dem Datenträger, einem Streifen aus Zelluloid. Seitenverhältnis: 4 zu 3. Alles, was im Film geschah, spielte sich auf dieser Fläche ab. Das ließ nicht gerade viel Bewegung nach links oder nach rechts zu; doch man beließ es dabei: Änderungen geschehen ja oft erst, wenn sie wirklich nötig werden. Und wirklich nötig wurde es, als sich Konkurrenz ins Bild schlich: das Fernsehen.

Ab 1951 nämlich stieg die Zahl der Fernsehzuschauer sprunghaft an, in den USA allein innerhalb eines Jahres auf 15 Millionen. Die Leute hielten immer öfter dem Wohnzimmersessel die Treue, anstatt sich ins Kino zu bequemen. Damit die Säle nicht leer blieben, mussten sich die Filmschaffenden etwas überlegen, um ein Erlebnis zu bieten, das das Fernsehen nicht liefern konnte.

Kino verzaubert

Das Zauberwort hieß "Breitwand": Wie wäre es, wenn man ein Bild hätte, das das gesamte Gesichtsfeld ausfüllt, die Grenze des Randes dem Blick entzieht und die Zuschauer mitten ins Geschehen zieht? Die Firma Cinerama stellte 1952 ein Verfahren mit drei Filmprojektoren vor, die bei der Vorführung ein ultrabreites Bild aus drei Blickwinkeln zusammenfügten. Das aber war aufwendig und extrem anfällig für Pannen. Denn man musste die drei Projektoren sehr genau aufeinander abstimmen, damit die Nahtstellen nicht auffielen.

Aus dünn mach dick

Die Filmgesellschaft Twentieth Century Fox kam ein Jahr später auf ein wesentlich simpleres Verfahren: Cinemascope. Dieses Bildformat, doppelt so breit wie das ursprüngliche, war viel einfacher herzustellen – man benötigte dafür nur besondere Linsen. Am 26. August 1953 stelle Twentieth Century Fox das Verfahren in Deutschland vor. Drei Wochen später wurde in New York der erste Cinemascope-Streifen gezeigt: der erwähnte Bibelfilm "The Robe". So erfolgreich war das neue Format, dass weitere Firmen es kopierten, unter Namen wie Ultrascope, Totalvision oder Vistarama.

Was das Fernsehen betrifft, waren die Filme in Cinemascope auf den herkömmlichen Bildschirmen freilich sehr begrenzt genießbar, denn das ultrabreite Bild machte in der 4:3-formatigen Röhre keine gute Figur: Zwischen zwei dicken schwarzen Ausfüllbalken tummeln sich auf einem langen, bunten Streifen winzige Filmhelden, auseinanderzuhalten nur mit Lupe.

Seitdem sich der Flachbildschirmtechnik sei Dank ein moderner Kinofilm auch wieder im Wohnzimmer sehen lassen kann, erlaubt sich das Kino auch wieder neue Experimente. Zum Beispiel: Wenn man im Breitbild unendliche Weiten erlebbar machen kann, wie wäre es, mal einfach zwei Leute in die beklemmende Enge eines Quadrats einzusperren? So geschehen im 2019 gedrehten Gruselfilm "Der Leuchtturm“: Zwei Rivalen sind in einem einsamen Leuchtturm gefangen, gefilmt in düsterem Schwarzweiß und umrahmt von der Leere der übrigen Leinwand, gehen sie einander nach kurzer Zeit an die Gurgel. Wer danach keine Alpträume bekommt, ist selber schuld.


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