Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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9. Juni 19 v.Chr. Das Aquädukt Aqua Virgo wird in Betrieb genommen

Die Aqua Virgo ist eines von elf Aquädukten, das das antike Rom mit Wasser versorgte, und die einzige antike Wasserleitung, die bis heute ohne Unterbrechung in Betrieb ist. Autorin: Julia Devlin

Stand: 09.06.2020 | Archiv

09 Juni

Dienstag, 09. Juni 2020

Autor(in): Julia Devlin

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Das antike Rom: Seine Badekultur war legendär. Wohin auch immer sich das römische Weltreich ausdehnte, dort wuchsen auch die Wasserleitungen, und zwar keineswegs nur zur Trinkwasserversorgung. Selbst in den unwirtlichsten Gegenden ließen die Römer nicht von ihrer verfeinerten Körperkultur ab. Davon zeugen die Überreste von Badehäusern, die man bei den Legionslagern von Nordafrika bis Northumberland findet. Dabei ging es um mehr als Hygiene oder Wohlbefinden. Ins Badehaus zu gehen, war wichtig, um sich als Römer zu fühlen, um sich in einem Riesenreich als Teil des großen Ganzen zu empfinden, und so wurden die römischen Soldaten, die fern der Heimat auf Außenposten stationiert waren, zum Baden geradezu ermuntert. Wellness als Kitt eines multikulturellen Imperiums, sozusagen.

Brot und Wellness

Diese Tradition nutzten auch die Herrschenden im Zentrum der Macht, in der Metropole Rom, indem sie sich das Volk durch besonders schöne Badeanlagen gewogen machten. Der erste dieser luxuriösen Badetempel entstand zur Zeit von Kaiser Augustus. Er war dem Konsul Marcus Vipsanius Agrippa zu verdanken, nach Augustus der mächtigste Mann des Römischen Reiches. Er finanzierte die Therme aus seinem privaten Vermögen. Auf dem Marsfeld ließ er einen luxuriösen Komplex erbauen, mit Bibliotheken und Restaurants, Ruhe- und Begegnungsräumen, verschwenderisch mit Statuen, Säulen, Mosaiken, Pflanzen und erlesenen Materialien ausgestattet. Er schuf eine Phantasiewelt, in der alle Sinne in Schönheit baden sollten. Das Wasser spielte natürlich die Hauptrolle, es gab mehrere verschieden temperierte Becken und auch einen Kanal und einen künstlichen See zum Schwimmen.

Um diesen verschwenderischen Umgang mit Wasser möglich zu machen, ließ Agrippa eigens eine neue Wasserzufuhr bauen, die Aqua Virgo. In den Sabiner Bergen östlich von Rom entspringt die Quelle, deren reines, wohlschmeckendes Wasser von den Bewohnern der Gegend gerühmt wurde. Der Aquädukt ist ein Meisterwerk antiker Ingenieurkunst: Er ist knapp 20 Kilometer lang, hat aber zwischen Ursprung und Ziel einen Höhenunterschied von lediglich 3,6 Metern.

Am 9. Juni 19 vor Christus wurde die Aqua Virgo in Betrieb genommen, und das Badevergnügen konnte beginnen.

Eine Frage des Prestiges

Mit seiner Therme setzte Agrippa einen Wettkampf in Gang. Sieben römische Herrscher nach ihm versuchten, sich in Schönheit, Luxus und Größe ihrer öffentlichen Thermen zu übertrumpfen. Thermen waren das perfekte Prestigeprojekt. Man konnte sich als Wohltäter zeigen, der an seinem Reichtum alle teilhaben lässt, aber auch seine Macht demonstrieren, als Herrscher über die Natur, der die Elemente Feuer und Wasser zügelt, um dem Volk Wohlergehen und Vergnügen zu bieten.

Selbst als Ruinen sind die Thermen noch beeindruckend. War die Therme des Agrippa schon groß, so wuchsen die Nachfolger zu monumentalen Anlagen. In einem jedoch blieb die Therme des Agrippa Sieger: Die Aqua Virgo sprudelt immer noch. Ununterbrochen seit ihrer Erbauung vor über zweitausend Jahren fließt ihr reines Wasser und speist nun nicht mehr Bäder, sondern Brunnen. So auch den berühmten Trevi-Brunnen. In dem tunlichst nicht gebadet werden sollte.


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