Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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4. März 1275 Chinesische Astronomen berichten über eine totale Sonnenfinsternis

Eine Sonnenfinsternis lässt die einen jubeln und die anderen erschauern. In China gilt sie seit alters her als böses Omen. Ein Drache, der die Sonne frisst… Autorin: Isabella Arcucci

Stand: 04.03.2021 | Archiv

04 März

Donnerstag, 04. März 2021

Autor(in): Isabella Arcucci

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Wenn die Sonne sich bei Tag verfinstert rasten die Menschen aus. Sie kaufen dunkle Pappbrillen, um damit in den Himmel zu schielen und mögliche Netzhautverbrennungen zu riskieren. Sie lassen Korken knallen, machen Heiratsanträge – und zittern vor der Endzeitkatastrophe.

So wie der Modeschöpfer Paco Rabanne, der im August 1999 seinen Pariser Laden abschloss, oder besser abschließen ließ, in der felsenfesten Überzeugung, dass mit der bevorstehenden totalen Sonnenfinsternis über Mitteleuropa sich eine der vielen kryptischen Prophezeiungen des Nostradamus erfüllen werde. Die russische Raumstation Mir, so verkündete Paco Rabanne, werde auf Paris krachen und die gesamte Modemetropole zerstören.

Dabei passiert bei einer Sonnenfinsternis lediglich folgendes: der Mond schiebt sich vor die Sonne und verdeckt sie ganz oder teilweise. Für eine Sonnenfinsternis müssen sich Sonne, Mond und Erde auf einer Linie in ihren Umlaufbahnen befinden. Das kommt tatsächlich mehrmals im Jahr vor, ist aber nicht von überall zusehen. In dieser Konstellation wirft der Mond seinen Kernschatten auf die Erde und für einen kurzen Moment wird es Nacht.

Der Mongolenfürst und der Kind-Kaiser

So geschehen in Süd-Ostchina, am 04. März 1275, oder wie andere Quellen behaupten am 25. Juni. Für die Astronomen und Hofbeamten am chinesischen Kaiserhof der südlichen Song-Dynastie war es jedenfalls ein schreckliches Omen. Zwar wusste man in China damals schon vergleichsweise viel über Astronomie, doch eine Sonnenfinsternis bedeutete Unheil, ja gar den Untergang der Weltordnung. Nach alter Vorstellung war es ein Drache, der die Sonne fraß. Die Sonne, das war der Himmelssohn, der Kaiser Song Gong.

Ein Knabe von gerade mal vier Jahren! Der Drache aber war Kublai Khan. Ein bärtiger Mongolenfürst, der bereits Nordchina seinem Riesenreich einverleibt hatte und jetzt nach dem, von den Song beherrschten Süden trachtete. Währenddessen verpatzten korrupte und intrigante Regierungsbeamte die Innenpolitik des Song-Staats und verspielten die Loyalität des Volks. Viele Militärs ergaben sich da lieber gleich den Mongolen. Eigentlich hätte es keine Sonnenfinsternis gebraucht, um die Katastrophe voraus zu sehen, aber einige Gelehrte um den Kind-Kaiser begannen jetzt endlich mit einem intensiven Brainstorming: wie, um Himmels Willen, sollte man die Lage noch retten? Alles Kopfzerbrechen war umsonst.

Sonnenfinsternis hinter Regenwolken

Das Song-Reich fiel an Kublai Khan. Unter der Herrschaft der Mongolen war es für die Chinesen der Oberschicht fast unmöglich ein Regierungsamt zu bekommen. Dafür behielten sie ihren Besitz und konnten sich aufs Dichten und Malen verlegen. Auch schön. Die Welt war untergegangen, aber das Leben ging weiter.

Paco Rabanne konnte übrigens wenige Tage nach der Sonnenfinsternis sein Pariser Geschäft wieder öffnen. Enttäuschend war das ganze trotzdem. Denn das Verfinsterungs-Spektakel war vielerorts durch ohnehin dunkle Regenwolken völlig verdorben.

Die wahre Katastrophe ist eben immer das Wetter.


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