Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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3. März 1875 Bizets "Carmen" uraufgeführt

Die Uraufführung von George Bizets "Carmen" war wahrlich kein Erfolg. Bald jedoch wurde "Carmen" zu einem der größten Welterfolge der Operngeschichte. Bizet freilich durfte das nicht mehr erleben. Autor: Markus Vanhoefer

Stand: 03.03.2021 | Archiv

03 März

Mittwoch, 03. März 2021

Autor(in): Markus Vanhoefer

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Ob Mozart oder Van Gogh, es sind vor allem bittersüße Künstlerbiographien, die dem Publikum zu Herzen gehen. Der Mythos vom verkannten Genie, das an der Missachtung seiner Zeitgenossen zu zerbrechen droht, ist ein Klischee, das sich wie ein roter Faden durch unsere Kulturgeschichte zieht. Zwar haben etliche große Komponisten des 19. Jahrhunderts, wie Wagner oder Berlioz, im Sinne ihrer Selbstvermarktung eifrig an dieser Erzählung mitgestrickt, dennoch gibt es Ereignisse, die beweisen, an diesem Klischee ist auch manch Wahres dran. Georges Bizet und seine "Carmen" sind ein Beispiel dafür.

Sie ist anders

Paris, der 3. März 1875, in der "Opéra Comique" hebt sich der Vorhang zu einer neuen Oper. Ihre Uraufführung ist ein Ereignis, denn immerhin ist ihr Schöpfer Georges Bizet Rompreisträger und damit einer der vielversprechendsten Komponisten seiner Generation. Zwar ist dem 36-jährigen der endgültige Durchbruch trotz aller Vorschusslorbeeren bisher noch nicht geglückt, dennoch darf man von so jemandem Außergewöhnliches erwarten.

Und Bizet liefert Außergewöhnliches: Mit Carmen steht zum ersten Mal eine sinnlich-selbstbewusste, lebensechte Frau im Rampenlicht, und das eingebettet in ein realistisches Halbwelt-Milieu, aus Schmugglern, Soldaten, Fabrikarbeiterinnen und fahrendem Volk.

Bizets "Carmen" ist anders, sie ist weder Richard Wagners aufgeblähter Pathos noch Jacques Offenbachs frivole Ironie, und damit ein Werk gegen die damals üblichen Musiktheater-Konventionen.

Das Premieren-Publikum ist irritiert und zeigt der "Carmen" die kalte Schulter.

Der Applaus ist spärlich und auch die Kritiken, die während der folgenden Tage erscheinen,  sind alles andere als begeistert. Die Musik sei "matt und unverständlich" und die Titelfigur ein amoralisches Wesen, die "Verkörperung von Laster und Sünde", ist in der Presse zu lesen. Nach der enttäuschenden Uraufführung scheint klar: "Carmen" ist keine Zukunft im Opern-Repertoire beschieden.

Tod durch Enttäuschung

Die Rezeption seines Werks setzt Georges Bizet psychisch zu. Desillusioniert zieht er sich in sein Landhaus in Bougival, etwa 10 Kilometer westlich von Paris, zurück. Der überarbeitete Komponist ist auch körperlich schwer angeschlagen. Abszesse in der Luftröhre quälen den Kettenraucher. Ende Mai 1875 badet Bizet in der Seine und erkrankt daraufhin an hohem Fieber. Vier Tage später, am 3. Juni - und damit genau drei Monate nach der deprimierenden Pariser Premiere - erliegt er einem Herzversagen. 

Hat Carmen ihren Komponisten ins Grab gebracht? Peter Tschaikowsky, der eine der ersten Aufführungen des noch verkannten Werks besucht hatte, schreibt: "Ich bin überzeugt, dass ʼCarmenʼ in zehn Jahren die populärste Oper der Welt sein wird. ʼCarmenʼ hat in Paris keinen richtigen Erfolg gehabt.  Bizet starb bald nach ihrer Aufführung als junger Mensch in der Blüte seiner Jahre. Wer weiß, ob nicht infolge der Enttäuschung." 

Die "Carmen" beginnt ihren internationalen Siegeszug im Oktober 1875 in Wien – und damit vier Monate nach Bizets Tod - und ist bis heute eine der meistgespielten Opern weltweit.  


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