Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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15. Juni 1921 Bessie Coleman erhält eine Fluglizenz

Bessie Coleman stammte aus armen Verhältnisse, aber sie wollte hoch hinaus. Und sie schaffte es! Als erste schwarze Frau eroberte sie den US-amerikanischen Himmel im Flugzeug. Ihre Aufführungen begeisterten das Publikum und machten Bessie Coleman zur Legende.

Stand: 15.06.2021 | Archiv

15 Juni

Dienstag, 15. Juni 2021

Autor(in): Ulrike Rückert

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Davon hatte Bessie Coleman geträumt: eintausendfünfhundert Passagiere gingen im September 1921 in New York von Bord des Ozeandampfers "Manchuria", doch die Reporter am Kai interessierten sich nur für sie – eine neunundzwanzigjährige Maniküre aus Chicago. Zeitungen in ganz Amerika meldeten ihre Ankunft. "Sie ist die erste farbige Fliegerin", titelte die Washington Post.

Bessie Coleman hatte immer etwas darstellen, etwas erreichen wollen, doch dafür hatte ihr das Schicksal schlechte Karten in die Hand gegeben: sie war das zehnte von dreizehn Kindern analphabetischer Baumwollpflücker und wuchs in Texas auf, in einer feindseligen Welt, in der Rassentrennung und Lynchmorde die schwarze Bevölkerung auf ihrem Platz, nämlich ganz unten, halten sollten.

Kein guter Start

Sie besuchte eine der schäbigen Schulen für schwarze Kinder und schlug sich dann als Waschfrau durch. Mit dreiundzwanzig zog sie nach Chicago, wie tausende andere Afroamerikaner aus den Südstaaten. Dort fanden sie besser bezahlte Arbeit, aber willkommen waren sie nicht. Im Sommer 1919 machte in Chicago ein wütender Mob Jagd auf Schwarze, am Ende waren drei Dutzend Menschen tot, hunderte verletzt und viele obdachlos, ihre Häuser niedergebrannt.

Trotzdem ganz nach oben

Ihr Ziel behielt Bessie Coleman trotzdem im Auge, und ihr Job als Maniküre in einem Friseursalon genügte ihr noch lange nicht. Dann entdeckte sie die Fliegerei. Die Luftfahrt befand sich in ihrem heroischen Zeitalter.

Flugzeuge waren fragile Kisten aus Holzlatten, Draht und Leinwand, und Piloten umgab die Aura kühner Helden. Ein paar Heldinnen gab es auch, sie wurden als Amazonen der Lüfte gefeiert, aber ansonsten traute man Frauen das Fliegen kaum zu. Schwarzen noch weniger. Und nun kam Bessie Coleman, Frau und schwarz, mit großen Rosinen im Kopf.

Keine Flugschule nahm sie auf. Schwarze Geschäftsleute ermöglichten ihr eine Reise nach Frankreich, und dort konnte sie an einer renommierten Schule die Ausbildung machen. Am 15. Juni 1921 drehte sie zwei unfallfreie Runden von je fünf Kilometern, führte einen Achter vor und landete punktgenau, dafür erhielt sie die Fluglizenz des Internationalen Luftfahrtverbands.

Im Triumph kehrte sie in die USA zurück und stürzte sich in ihre Karriere. Auf Jahrmärkten und Flugschauen begeisterte sie die Zuschauer mit waghalsigen Kunststücken – wie viele andere Piloten auch, aber dass sie es als schwarze Frau tat, war schon an sich eine Sensation. "Ich bin die bekannteste farbige Frau, abgesehen von den Jazzsängerinnen", sagte sie stolz.

1926 wollte sie vor einer Schau das Gelände von oben besichtigen, am Steuer saß ein Mechaniker. Der Motor blockierte, die Maschine stürzte ab. Bessie Coleman war nur vierunddreißig Jahre alt. Ihren Traum von einer Flugschule für Afroamerikaner erfüllten andere: in Los Angeles William J. Powell, der seine Schule und einen Fliegerclub nach ihr benannte, und in Chicago Willa Brown und ihr Ehemann Cornelius Coffey. Einmal in jedem Jahr flogen schwarze Piloten über Bessie Colemans Grab und ließen Blumen vom Himmel regnen. Denn sie hatte die Bahn in den Himmel für sie freigemacht.


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