Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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14. Mai 1989 Arved Fuchs erreicht den Nordpol

Einmal quer über den eisbedeckten arktischen Ozean bis zum Nordpol, ein gewagtes Unterfangen, bei dem es nicht nur auf Abenteuergeist ankommt. Man muss sich mit Eis und Schnee auskennen – wie Arved Fuchs! Autorin: Prisca Straub

Stand: 14.05.2019 | Archiv

14 Mai

Dienstag, 14. Mai 2019

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Nicht immer glücken Expeditionen gleich beim ersten Versuch. Ein gigantischer Fußmarsch quer über das atlantische Eismeer beispielsweise, hunderte von Kilometern über einen zu haushohen Riffs zusammengepressten Ozean - tückischer kann ein Gelände kaum sein. Als der Extrem-Tourengeher Arved Fuchs zu Fuß von Kanada aus zum Nordpol aufbricht, ist das schon sein zweiter Anlauf.

Mit der Kälte umzugehen, sei eigentlich nur Handwerk, Kälte könne man lernen, so der damals 36-jährige Polar-Abenteurer. Selbst wenn die Minus-Temperaturen einem die Augenlieder vereisen und man riskiert, sich durch bloßes Atmen die Lunge zu erfrieren. Doch nein, die Kälte sei nicht das größte Problem. Das größte Problem sei - die Wärme!

Bitte nicht zu warm!

Arved Fuchs und sein Team bewegen sich auf treibenden Eisschollen vorwärts - auf allen Vieren kriechend, mühsam kraxelnd, je nach Gelände. Unter ihnen - mehrere tausend Meter Ozean. Von vorne schneidender Wind und gefrorener Atem, der sich als feine Kristallschicht in Stirn und Wangen frisst. Die Verhältnisse im Nordpolarmeer sind äußerst heikel - und ein Start in den wärmeren Monaten bringt ein paar Vorteile: mehr Licht und mildere Temperaturen. Andererseits steigt dann auch das Risiko, auf offene Wasserfelder zu treffen – und das heißt kräftezehrende Umwege durch unwegsames Packeis. Es ist also weniger die Kälte, als vielmehr die Wärme, die über eine Arktis-Expedition entscheidet.

Wäscheleine zum Trocknen? Funktioniert nicht…


Schwimmende Eisfelder zu überqueren, ist nämlich immer von Neuem ein waghalsiges Unternehmen. Ein Schlafsack, der dabei ins Wasser fällt, würde kaum je wieder trocknen! Auch darf das Team durch die sich bewegenden Eismassen keinesfalls getrennt werden.

Während also Arved Fuchs und seine Männer sich von einer Scholle zur nächsten vorarbeiten, den Winkel zur Sonne mit Sextant bestimmen und gleichzeitig nach hungrigen Eisbären Ausschau halten, drücken die Meeresströmungen das Team in die entgegengesetzte Richtung. Strömungen! Jede Stunde, die die Männer im Zelt verbringen, um ein paar Stunden zu schlafen, driften sie vom Kurs ab. Unerbittlich. Dann schmilzt die absolvierte Tagesetappe schnell auf wenige Kilometer zusammen.

Und das Eis arbeitet. Es stöhnt, es knirscht, es ächzt. Kein lautes Dröhnen, sondern ein leises, immer höher ansteigendes Knistern. Was als unscheinbarer Haarriss beginnt, schiebt sich über Nacht ineinander - türmt sich auf zu meterhohen, scharfkantigen Verwerfungen. Mehr als eine Expedition ist zwischen den Presseis-Blöcken schon zermalmt worden.

Dann, 56 Tage später, nach 1.000 Kilometern im Schneckentempo - die Ankunft am Nordpol. Es ist der 14. Mai 1989. Geschafft! Und es kommt zu einer bizarren Pressekonferenz: Die Gesichter der Abenteurer sind entstellt, die Wangen von Frost zerfressen, die Nasen zu doppelter Größe angeschwollen. Und das Seltsamste: Der geografische Nordpol ist kein markanter Zielpunkt. Nichts anderes als ein errechneter Ort inmitten der Eiswüste. Nichts unterscheidet die Einöde von den vorangegangen rund zwei Monaten. Arved Fuchs ist am Ziel. Doch seinen Nordpol wird die Strömung bald davontreiben.


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