Bayern 2 - Das Kalenderblatt


6

29. Januar 1683 Agent der Medici auf Spionagetour in Augsburg

Wirtschaftsspionage ist älter als mancher glauben mag. Doch schon die Medici wussten um ihren Wert – und schickten einen Spion in die Fuggerstadt Augsburg. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 29.01.2021 | Archiv

29 Januar

Freitag, 29. Januar 2021

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Christian Baumann

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Schlechte Stimmung im Palazzo Pitti. Sua Altezza Cosimo III., hat Sorgen. Florenz verliert täglich an Pracht und Geltung, der Stern des Hauses Medici sinkt. Reichtum, Macht, Papst- und Purpurwürden, das war einmal. Noch zählen die Großherzöge der Toskana zu den ersten Familien Europas, aber der Glanz ist verblasst, der Niedergang absehbar.

Jetzt sind die plumpen, bleichen Barbaren jenseits der Alpen am Zug. In England, Frankreich, Flandern, Germanien gedeihen Handel und Gewerbe, überall wachsen die Städte, sprießen die Künste, nur in der Toskana nicht. Warum? Wie geht das zu?

Im Auftrag Ihrer Altezza

Die Frage ist müßig, Cosimo kennt die Antwort. Innovazioni, Neuerungen! Kunstreiche Maschinen, die das Arbeiten erleichtern und beschleunigen, bessere Legierungen und Gussverfahren für Werkzeuge und Waffen, Manufakturen - all das bringt den Norden voran. Dumm nur, dass die Barbaren diese Errungenschaften mehr als ihre Seelen hüten. Sei's drum! Wenn die tramontani ihre Geheimnisse nicht freiwillig teilen, müssen halt Spitzel das Knowhow besorgen.

Wissensdiebstahl ist so alt wie die Welt. Seit Adam und Eva den Baum der Erkenntnis ausforschten, boomt das Geschäft. Wer es erfolgreich ausüben möchte, braucht allerdings mehr als nur Spürsinn und Mut. Der wahre Industriespion muss den Gegenstand seiner Neugier nicht nur finden, er muss ihn vor allem verstehen, muss seinen Zweck, seine Funktionsweise erfassen und verwertbare Pläne liefern.

Pietro Guerrini hat alles, was es raucht: Er ist Ingenieur und Künstler, jung, ungebunden, klug mit einem Schuss ins Verwegene, kurz, wie geschaffen, im Auftrag des Großherzogs die nördlichen Technikstreber auszuspähen. Ende September 1682 bricht Cosimos Spion zu einer Studienreise auf, die ihn vier Jahre lang durch die Schweiz, Deutschland, Flandern, Frankreich und England führt. 189 Briefe wimmelvoll mit technischen Beschreibungen und Zeichnungen schickt er von seinem Ideenraubzug nach Hause, vieles wird sogleich erprobt und nachgebaut.

Innovationen aus Schwaben

Die Schweiz ist rasch abgehakt. Weitaus verlockender sind die süddeutschen Reichsstädte, wo neben Handel und Gewerbe auch die mechanischen und metallurgischen Wissenschaften blühen. Ulm erweist sich als Flopp. Aber in Augsburg glückt ein Meisterstück. Die Fuggerstadt ist berühmt für ihren überlegenen Wasserbau und modernste Pumpentechnik, daraus lässt sich Gewinn schlagen. Doch die Schwaben sind misstrauisch, Guerrini muss vorsichtig sein. Am Ende aber siegt sein Geschick. Trotz erheblicher Schwierigkeiten kann er am 29. Januar 1683 den hydraulischen Hebe- und Senkmechanismus des Stadttors und das streng bewachte Pumpwerk auskundschaften.

Noch am selben Abend meldet der Agent seinen Erfolg nach Florenz und schließt mit einer privaten Beobachtung: "Es scheint hier überdies Brauch zu sein, dem Reisenden für die mindeste Belanglosigkeit gewaltige Summen abzuknöpfen". Der Großherzog liest den Brief, runzelt die Stirn und seufzt. "Oddio, für diese Erkenntnis hätten wir keinen Spion aussenden müssen". Gäste schröpfen, das können seine Fiorentini schon lange, grad so, als hätten sie's selbst erfunden.


6