Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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31. Mai 1578 Älteste bekannte Mariendarstellung in Rom entdeckt

Es ist ein Zufallsfund, der den Weg frei gibt in ein unterirdisches Katakombensystem voller Geschichte: Farbenfrohe Artefakte der frühen Christen in Rom… dabei ist unter anderem die älteste Mariendarstellung. Eine Frauenfigur, die zärtlich ihr Kind in den Armen hält. Autorin: Prisca Straub

Stand: 31.05.2021 | Archiv

31 Mai

Montag, 31. Mai 2021

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Der Wein vor den Toren Roms gedeiht prächtig. An der Via Salaria, die nordöstlich aus der Stadt herausführt, haben die Reben bereits ausgetrieben. Jetzt muss nur die Erde noch etwas aufgelockert werden. Doch der Weinbauer, der am 31. Mai 1578 sein Feld am Rande der antiken Ausfallstraße bestellt, ärgert sich. Die unordentlich über seinen Weinberg verstreuten Steinquader sind ihm schon lange ein Dorn im Auge. Die Mauerreste aus grauer Vorzeit stören beim Pflügen! Heute will er ein paar der Brocken zum Feldrand schaffen. Mit einem hat der Mann allerdings nicht gerechnet: Als er die unhandlichen Überreste aus dem Erdreich schält und mühsam zur Seite wälzt, schlägt ihm plötzlich ein Schwall feucht-kalter Luft entgegen. Die modrigen Ausdünstungen aus dem Untergrund nehmen ihm fast den Atem: Das muss der Eingang ins Totenreich sein!

Weg nach unten…

Und tatsächlich: Auf was der Winzer hier gestoßen ist, entpuppt bald sich als Tor zu einer lange vergessenen Welt: zu einem antiken Friedhof - einem schier unübersichtlichen Labyrinth aus engen Gängen, verteilt auf mehrere Etagen. Mit Tausenden schmaler Grabnischen, eine über der anderen, wie Schubladen in den weichen Tuffstein geschlagen. Doch die frühchristliche Katakombe an der Via Salaria beherbergt nicht nur schlichte, namenlose Wandgräber. Nein, die Belegung ist überraschend prominent: Hier liegt einer der frühen Päpste, Silvester I., und eine stattliche Anzahl christlicher Märtyrer. Schnell ist klar: Das hier ist exklusives Terrain.

Was ein Fund!

Kein Wunder, dass sich auf dem bislang unbedeutenden Weinberg am Rande der Ewigen Stadt bald die Geistlichen tummeln. Alle wollen sie hinabsteigen - in die Priscilla-Katakombe, so benannt nach der antiken Vorbesitzerin des Hangs. Priscilla, eine reiche römische Patrizierin, habe den frühen Christen Roms hier Platz für einen Friedhof gewährt.

Der Ort, zunächst einer ihrer ungenutzten unterirdischen Wasserspeicher, wurde zum Ausgangspunkt der späteren Katakombe. Später sei sie selbst Christin geworden, so will es die katholische Lesart. In den unterirdischen Gewölben findet sich eine zerborstene Inschrift mit ihrem Namen.

Nach der Wiederentdeckung wird es Jahrhunderte dauern, bis die Priscilla-Katakombe mit ihren verwinkelten, rund 13 Kilometer langen Gängen vermessen und dokumentiert ist. Und selbst heute noch staunen die Experten: Die vermeintlich düstere, Schrecken einflößende Unterwelt ist hell verputzt und farbenfroh ausgemalt: exotische Vögel in üppig grüner Vegetation, Hirten, Schafe, festlich gekleidete Menschen. In einer unscheinbaren Deckennische sitzt eine Frauenfigur unter einem Baum und hält zärtlich ihr nacktes Kind. Der Kleine wendet den Kopf zum Betrachter - und über den beiden leuchtet, kaum erkennbar, ein heller Stern zwischen den Ästen hervor. Eine Sensation? Heute gilt das Bild als älteste bekannte Mariendarstellung der Welt. Entstanden rund 200 nach Christus.

Der unbekannt gebliebene Entdecker der Katakombe an der Via Salaria hat von der Bedeutung des Ortes mit Sicherheit nichts gewusst.


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