Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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31. Januar 1950 Elly Heuss-Knapp gründet Müttergenesungswerk

Sie war eine seltene Ausnahme unter den jungen Frauen des späten Kaiserreichs. Elly Knapp studierte und drängte in die Politik. Auch später, als Ehefrau des Bundespräsidenten Theodor Heuss, setzte sie Maßstäbe. Am 31. Januar 1950 gründete sie das Müttergenesungswerk.

Stand: 31.01.2011 | Archiv

31 Januar

Montag, 31. Januar 2011

Autorin: Isabella Arcucci

Sprecher: Andreas Wimberger

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

First Lady zu sein ist ein Traumjob! Man kann sich flotte Hütchen aufsetzen und als Stilikone feiern lassen. Man kann sich, wie die ehemalige philippinische First Lady Imelda Marcos, seinen Schuhtick staatlich subventionieren lassen. Man kann sich auch ganz der Produktion einer Dynastie zukünftiger Staatsoberhäupter widmen. Oder man kann Maßstäbe setzen - wie Elly Heuss-Knapp.

Geboren wurde sie 1881, drei Jahre vor ihrem späteren Ehemann Theodor Heuss. Elly Knapp träumte als junges Mädchen nicht von Schuhen, sondern von Johanna von Orleans und Friedrich Naumann. Die Wortgewalt, mit welcher der evangelische Theologe Naumann liberale Politik predigte beeindruckte sie tief. Wie sie später schrieb fühlte sie hier was es heißt, Menschen in ihrem Willen zu bewegen, ohne ein anderes Mittel als das lebendige Wort.

Auch Elly Knapp trug gern flotte Hütchen, wenn sie auf dem Fahrrad durch ihre Heimatstadt Straßburg sauste. Auf dem Fahrrad fühlte die Professorentochter sich frei, bereit die Welt zu entdecken - und zu verändern. Elly Knapp hatte keine Mutter, die ihr beibrachte, dass es für ein Mädchen unschicklich sei Fahrrad zu fahren und die Welt zu verändern. Elly Knapps Mutter lebte in Sanatorien,abgeschottet in einer Welt aus psychischen Ängsten und hatte so keine Gelegenheit, ihrer Tochter Ängste einzureden.

Mit 18 wurde Elly Knapp Lehrerin und gründete eine eigene Mädchenschule. Doch sie wollte selber lernen. Erst im Jahr 1900 erlaubte die Universität Freiburg Frauen Zugang zum Studium. Fünf Jahre später schrieb Elly Knapp sich ein, und wechselte kurz drauf nach Berlin. Sie studierte, hielt politische Vorträge und befand sich im Kreis anregender Männer wie Friedrich Naumann und Albert Schweizer.

Ach ja, so einen Langweiler gab es da auch noch. Theodor Heuss hieß er und die begeisterungsfähige Elly ärgerte es, wie unbeeindruckt sich der junge Journalist in Gesprächsrunden oft gab. Doch irgendwann spürte Elly, dass dieser Theodor mit seinem kritischen Urteil meist richtig lag. Und so schlossen sie Freundschaft. Eine Freundschaft, aus der Liebe wurde, und Theodor Heuss sollte noch von der Begeisterungsfähigkeit und Tatkraft seiner Frau profitieren.

Nicht nur indem sie 1918 mit ihm zusammen bei der Reichstagswahl kandidierte und Frauen mit aller Macht dazu aufrief, von ihrem neuen Wahlrecht Gebrauch zu machen. Elly Heuss-Knapp half ihrem Mann vor allem durch die Zeit der Nazidiktatur. Das Ehepaar Heuss durfte keine politischen Schriften publizieren, Theodor Heuss wurde gezwungen seine Lehrtätigkeit an der Universität aufzugeben. Doch die tatkräftige Elly ließ ihre Familie von den Nazis nicht in den finanziellen Ruin treiben. Sie erfand den Werbejingle für das deutsche Radio! Elly dichtete Lieder für Waschmittel und Halstabletten und hielt die Familie so über Wasser.

Nach dem Krieg war sie Mitglied des Landtags in Württemberg-Baden und dass sie schließlich die First Lady an der Seite des ersten deutschen Bundespräsidenten wurde, liest sich in ihrer Vita fast wie eine Fußnote. Am 31. Januar 1950, zwei Jahre vor ihrem Tod, gründete die First Lady Elly Heuss-Knapp gemeinsam mit Antonie Nopitsch das Müttergenesungswerk, welches Müttern bis heute Kuren ermöglicht und unter der Schirmherrschaft der jeweiligen Bundespräsidentengattin steht. Elly Heuss-Knapp setzte damit einen Maßstab für alle zukünftigen First Ladys der Bundesrepublik. Doch für sie selbst, die bei der Geburt ihres einzigen Kindes beinahe gestorben wäre, und deren eigene Mutter in Sanatorien leben musste, war dieses Engagement vor allem eines: ein Herzensanliegen.


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