Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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27. Juli 1888 Erste "Kraft- und Arbeitsmaschinen-Ausstellung" in München

Laptop und Lederhosen, das verbindet heute ein jeder. Klar: Mia san mia und wo mia san, is technisch vorn! Das war allerdings nicht immer so. Die Uhren des Fortschritts malten in Bayern mal gemächlich. Autorin: Birgit Magiera

Stand: 27.07.2016 | Archiv

29 Oktober

Montag, 29. Oktober 2012

Autor(in): Birgit Magiera

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Ende des 19. Jahrhunderts, zur Prinzregentenzeit, hatte München ein Image-Problem. "Zwischen Kunst und Bier ist München wie ein Dorf zwischen Hügeln hingelagert", schrieb Heinrich Heine über die Hauptstadt des Königreiches Bayern. Kunst und Bier: das bräsig-romantische Bild von München, mit dem sich auch heute noch viele wohlfühlen, war schon vor weit über 100 Jahren ein beliebtes Klischee.

Mia san mia

Mitten in der rasanten Industrialisierung, zwischen Dampfmaschinen, Eisenbahn und Elektrizität gilt die Schöne an der Isar als gemütlich und den schönen Künsten geweiht, andere nennen die Stadt rückständig und lebensfremd. München, so scheint es, verschläft die neuen Zeiten. Ursprung dieses behäbigen Images ist womöglich Jahrzehnte zuvor die fortschrittsfeindliche Politik Ludwigs I. Er fördert die Ansiedlung von Industriebetrieben in seiner Residenzstadt nicht, aus Sorge um den politischen und sozialen Frieden. Der König will keine Massen an Tagelöhnern und vom Land neu zugezogene Arbeiter.

Mia bleim mia

Sein Sohn und Nachfolger, König Max II., steht der Moderne dann aufgeschlossener gegenüber. Er fördert Wissenschaft und Wirtschaft sehr, holt viele innovative Köpfe an die Münchner Universität. Forscher und Unternehmer zählen ab sofort zur gesellschaftlichen Oberschicht. Unter Max II. wird auch die allgemeine deutsche Industrieausstellung im Glaspalast ausgerichtet.

Der nächste König, Ludwig II., ist dann regelrecht begeistert von den Möglichkeiten moderner Technik: sein Prunkschlitten fährt mit elektrischer Beleuchtung, angeblich als weltweit erstes Fahrzeug überhaupt. Unter Ludwig II. wird die Königlich Bayerische Technische Hochschule München gegründet. Dennoch bleibt die Residenzstadt in den Augen vieler die dörflich-zurückgebliebene Schöne.

Für Entwicklung und Fortschritt sind ausschließlich die Franken und Schwaben zuständig, so scheint es: Nürnberg und Augsburg gelten als führende Industriemetropolen in Bayern. Von Nürnberg nach Fürth fährt die allererste Eisenbahn und im protestantisch-arbeitsamen Augsburg blüht die Textilindustrie.

Und München? Verändert sich rasant. Innerhalb von zwei Generationen verfünffacht sich die Einwohnerzahl durch Eingemeindungen und Zuzug. In den 1880ern lebt bereits eine Viertel-Million Menschen in der Stadt. Eine Statistik aus der Zeit setzt München jetzt an die Spitze des industriellen Fortschritts: dort gibt es weit über tausend mittlere und große Betriebe, in Nürnberg sind es nur 750, in Augsburg weniger als 300. Und bei den Großbetrieben geht’s nicht nur um die Brauereien, oder die berühmten Lokomotiven-Fabriken Krauss und Maffei. Ein Verzeichnis listet die Bürstenfabrik Pensberger genauso auf wie die Mannhardtsche Turmuhrenfabrik, die Erzgießerei Sugg und Companie und die erste Schul-Wandtafelfabrik Deutschlands. München raucht, dampft, und rattert im Rhythmus der Maschinen.

Am 27. Juli 1888 eröffnet die erste Kraft- und Arbeitsmaschinen-Ausstellung für Kleingewerbe. Spätestens jetzt hat die Industrialisierung auch die Zwei-Mann-Handwerksbetriebe in den Hinterhöfen der Stadt erobert. 


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