Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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27. Juni 2007 Die Mumie der Pharaonin Hatschepsut wird identifiziert

Die erste der "vornehmen Frauen", so lautet die Übersetzung von Hatschepsut. Ihr Totentempel ist ein herausragendes Monument der antiken Baukunst. Aber wo ist die dazu passende Mumie? Autorin: Prisca Straub

Stand: 27.06.2016 | Archiv

27 Juni

Montag, 27. Juni 2016

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Ist die fragliche Mumie nicht eigentlich viel zu dick für eine Pharaonin? - Schlaff hängen die mumifizierten Fettpolster an den Hüften. Üppige Brüste wölben sich unter den Bandagen. Außerdem klaffen Zahnlücken im Gebiss. Die Spannung ist groß, als der beleibte Körper in den Scanner geschoben wird. Sollte dieser Leichnam tatsächlich die legendäre Hatschepsut sein, die mächtige Herrscherin, die vor 3.500 Jahren am Nil gelebt hat? Schon seit Jahrzehnten wird erfolglos nach ihren Überresten gefahndet. Und seit Jahrzehnten lagert diese Mumie namenlos und unbeachtet im Nationalmuseum von Kairo, Registrierungsnummer KV 60-A.

Der Zahn der Hatschepsut

Vermisst wird die berühmte Königin seit der Entdeckung ihres prächtigen Totentempels in Luxor. Ihr vergoldeter Sarkophag war zerstört; Hatschepsut selbst - verschwunden. Nur wenige Indizien konnten in den 1890er Jahren sichergestellt werden: ein verstöpselter Flakon und ein kleines Holzkästchen mit ihrem Namen. Im Inneren - eine einbalsamierte Leber, Teile des Darms und - ein Backenzahn. Die  Stücke werden wenig später im Archiv von Kairo von Staub bedeckt.

Erst zu Beginn des neuen Jahrtausends wird die Suche nach Hatschepsut wieder aktuell: Ein Team von Radiologen durchleuchtet systematisch eine Reihe von namenlosen Mumien aus den Beständen des Museums. Unter ihnen: eine übel zugerichtete, korpulente Frau mit zerrissenen Bandagen. Sie stammt aus einer inschriftlosen, unbedeutenden Grabkammer und war um 1900 ohne jeden Schmuck auf dem blanken Lehmboden gefunden worden. KV60-A zeigt auffällige Zahnlücken. Und plötzlich erinnert sich jemand an den Backenzahn der Hatschepsut … !

Am 27. Juni 2007 wird schließlich enthüllt, was kaum jemand für möglich gehalten hätte. Die Ergebnisse der Scanner-Analysen ergeben: Mit seinen 1,8 Zentimetern passt der Backenzahn der Hatschepsut exakt in eine Gebisslücke von KV 60-A. Er ergänzt haargenau eine im Oberkiefer erhalten gebliebene Zahnwurzel. Die kleine, dicke Mumie ist von höchstem königlichem Status! Pharaonin Hatschepsut ist identifiziert!

Ein ganz besonderer Duft

Doch die Mumien-Detektive haben noch nicht genug: Die Königin mit den ausgeprägt weiblichen Rundungen, die sich zu Lebzeiten schlank und rank aus dem Stein meißeln ließ - hochgewachsen und ohne Busen, dafür aber mit herrscherlichem Kinnbart - sie hat den internationalen Spür-Eifer entfacht: Da war doch noch dieser versiegelte Flakon! Das schlanke Gefäß, das inzwischen in einer deutschen Sammlung gelandet ist, wird geöffnet und eine Probe entnommen: Reste einer eingetrockneten, Jahrtausende alten Flüssigkeit. Das Parfüm der Hatschepsut? Ein regelrechter Hype entbrennt: Wie roch die Pharaonin? Der Nachbau einer altägyptischen Parfüm-Essenz wäre der Verkaufsschlager!

Doch dann ist Hatschepsut wieder für eine Überraschung gut: Statt Weihrauch und Myrrhe verbreitet der Destillationskolben einen scharfen Teer-Geruch! Kein Parfüm also, sondern eine mit ins Grab gegebene Arznei! Eine medizinische Salbe gegen ein Hautleiden. Schuppenflechte vermutlich! Herrje Hatschepsut …


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