Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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27. Februar 1879 Entdeckung von Saccharin bekanntgegeben

Schmeckt süß und ist billiger als Zucker: Die Nahrungsmittelindustrie liebt Süßstoffe wie Saccharin. Am 27. Februar 1879 gab die Universität Baltimore die Entdeckung bekannt. Eigentlich war´s eher ein chemischer Unfall.

Stand: 27.02.2014 | Archiv

27 Februar

Donnerstag, 27. Februar 2014

Autor(in): Carola Zinner

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Julia Zöller

Süß schmeckt besser als sauer, und Bitteres lässt man lieber links liegen.
Das wusste schon der Urzeitmensch: Süße Früchte sind für gewöhnlich essbar, bittere dagegen auch mal giftig. So wurde die Menschheit geschmacklich programmiert, doch diese alten Muster bringen in den heutigen Schlaraffenland-Zeiten einige Nachteile mit sich. Zu viel süß ist ungesund, und trotzdem kann der Mensch nicht anders und stopft sich voll mit Cola und Himbeerbonbons, mit Müsliriegeln und Gummibärchen. Das tut er auch dann noch, wenn der süße Geschmack gar nicht von natürlichem Zucker kommt, sondern von irgendwelchen Chemikalien, die sehr kompliziert aus Erdöl gewonnen werden.

Saccharin statt "Benzoesäure-Sulfimid"

Dass so ein Zeug tatsächlich süß schmecken kann, gab die Universität von Baltimore am 27. Februar des Jahres 1879 bekannt und verkündete damit die Entdeckung des ersten künstlichen Süßstoffs. Sie ging zurück auf den deutsch-russischen Chemiker Constantin Fahlberg, der zu jener Zeit in Baltimore als Gastwissenschaftler arbeitete. Fahlberg, eigentlich ein Experte für die Herstellung von Rohrzucker, hatte eines Tages beim Abendessen festgestellt, dass sein Brot nicht so schmeckte wie es sich gehört, sondern eigenartig süß.

Nach einer längeren Diskussion mit seiner Zimmerwirtin musste er einsehen, dass diese Süße nicht von dem stammte, was sie ihm serviert hatte, sondern von einer Substanz, die noch an seinen Händen klebte, obwohl er die nach der Arbeit gewaschen hatte. Er lief zurück ins Labor, probierte sich durch alle Reagenzgläser und Schalen und landete schließlich bei einem aromatischen Kohlenwasserstoff, der ihm versehentlich angebrannt war.

Toluol, gewonnen aus Erdöl oder Steinkohleteer, verwandelt sich durch bestimmte Prozesse in Benzoesäure-Sulfimid. Und diese Chemikalie schmeckt, mit Wasser verdünnt, wie Rohrzucker und ist, wie sich herausstellte, zum Verzehr geeignet. Nur der Name war nicht besonders appetitanregend. Also taufte Fahlberg den neu gefundenen Stoff "Saccharin", nach dem altgriechischen Wort für Zucker. Dann meldete er ihn zum Patent an und gründete zusammen mit seinem Cousin in Deutschland eine Produktionsfirma, die den künstlichen Süßstoff bald tonnenweise herstellte.

Schön billiger Ersatz-Zucker

Hauptabnehmer war die Nahrungsmittelindustrie. Die Hausfrauen hingegen hielten sich zurück, denn das Zeug war schlecht dosierbar und hinterließ zudem einen unangenehmen Nachgeschmack auf der Zunge. Wer konnte, blieb also beim Zucker. Saccharin hatte allerdings einen eindeutigen Vorteil: Es war wesentlich billiger. Und genau das störte Deutschlands mächtige Zucker-Barone. Sie sahen ihr Monopol in Gefahr und taten alles, um das neue Konkurrenzprodukt vom Markt zu fegen. Mit Erfolg: 1902 erließ die deutsche Regierung ein Gesetz, nach dem Saccharin nur noch in Apotheken verkauft werden durfte, als kalorienfreie Süße für Diabetiker.

Mit dem 1. Weltkrieg aber, als die Nahrungsmittel knapp wurden, fielen alle Verbote wieder weg; Saccharin wurde als Ersatzstoff unverzichtbar. Und ist es bis heute. Die Lebensmittelindustrie verwendet es in gigantischen Mengen. Und den bitteren Beigeschmack des Saccharins, den überdeckt sie ganz einfach ... mit anderen Süßstoffen.


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