Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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26. September 1983 Stanislaw J. Petrow verhindert den 3. Weltkrieg

Am 26. September 1983 meldet das russische Satellitenfrühwarnsystem unvermittelt einen Raketenangriff der USA. Stanislaw Petrow bleibt ruhig. Autor: Christiane Neukirch

Stand: 26.09.2017 | Archiv

26 September

Dienstag, 26. September 2017

Autor(in): Christiane Neukirch

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Wie sieht ein Weltretter aus? 1962, im Jahr der Kubakrise, betrat "Agent 007" James Bond erstmals die Leinwand. Er zeigte der Welt nicht nur, wie man sie rettet, sondern auch, wie man dabei eine gute Figur macht.

Aufgerüstet bis ins All

Die Bösen bei Bond waren meist einzelne Wahnsinnige. Die Bösen in Wirklichkeit, das waren immer die Anderen, in der heißen Phase des Kalten Krieges. Je nachdem welches politische Oberhaupt gerade das Wort ergriff. US-Präsident Ronald Reagan, ehemaliger Filmschauspieler, nannte 1983 die Sowjetunion das "Reich des Bösen"; Sowjet-Staatschef Jurij Andropow deutete diese Aussage so, dass Reagan einen Angriff starten würde, um sich als Feldherr eines 3. Weltkriegs zu inszenieren. Aus Angst davor hatte Moskau ein Satellitenfrühwarnsystem installiert, das die Raketenbasen auf dem amerikanischen Kontinent beobachtete. Die Satelliten waren mit optischen und mit Infrarotsensoren ausgestattet. Damit konnten sie eine Raketenzündung orten und an die Zentrale bei Moskau melden.

Als die Situation im Herbst 1983 wirklich brenzlig wurde, war James Bond gerade damit beschäftigt, unter großer Knallerei einen fiktiven sowjetischen General zur Strecke zu bringen. Und in der – real existierenden - Moskauer Überwachungszentrale tat ein Mann Dienst, der Bond so gar nicht ähnlich war. 

Der Ingenieur Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow war bescheiden, ruhig, fest verheiratet und: Sowjetbürger. Am 26. September 1983 hatte er die Schichtleitung zur Kontrolle des Satellitenfrühwarnsystems, vertretungsweise. Wie immer war alles ruhig – bis um kurz nach Mitternacht eine Warnung in roter Schrift aufleuchtete: START.

Das hieß: Start einer "Minuteman"-Rakete mit zwölf nuklearen Sprengköpfen, Kurs Sowjetunion.

Petrow blieb nicht viel Zeit zu überlegen; zwölf Minuten, bis die Rakete sowjetischen Luftraum erreichen würde. In Windeseile überschlug er die Wahrscheinlichkeiten: Würden die Amerikaner einen nuklearen Erstschlag mit nur einer Rakete führen? Nein, beschloss er, und befahl den 200 Mitarbeitern im Raum abzuwarten. In dem Moment zeigte die Warntafel einen zweiten Start an, dann einen dritten, vierten und fünften. "ANGRIFF" blinkte es rot.

Welt retten durch Nichtstun

Petrow stand zu seinem Entschluss. Schreckliche Minuten lang starrten alle auf die Bildschirme der Meldezentrale und warteten darauf, ob der Atomkrieg beginnen würde. Dann endlich: Entwarnung. Fehlalarm. Keine Raketen im Anflug. Petrow hatte Recht behalten:

Ganz ohne dramatischen Showdown im James-Bond-Stil, sondern durch besonnenes Nicht-Handeln hatte er in jener Nacht die Welt vor einer Katastrophe bewahrt.

Als Held sieht er sich bis heute nicht, und die Sensationsberichterstattung der westlichen Presse über seine Rolle ist ihm zuwider. Er habe nur seinen Dienst getan. Jahre später erfuhr Stanislaw Petrow, dass der Plan der USA einen Erstschlag sehr wohl mit wenigen Raketen vorgesehen hätte: Man hätte damit die Führungsspitze in Moskau ausgelöscht. Nur bei massiver Gegenwehr wären weitere Waffen zum Einsatz gekommen. Petrows Antwort auf diese Information: "Hätte ich das damals gewusst, hätte ich mich anders entschieden."


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