Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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26. September 1348 Papst Clemens VI. schützt die Juden

Clemens VI. - als Papst mehr Lebemann als Seelsorger. Doch am 26. September 1348 verwandte er sich in einer erstaunlichen Bulle für die verfolgten Juden: Sie könnten nicht Ursache für die grassierende Pest sein.

Stand: 26.09.2012 | Archiv

26 September

Mittwoch, 26. September 2012

Autor(in): Christian Feldmann

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Thomas Morawetz

Man sollte eben nie zu rasch den Stab über jemanden brechen, auch wenn es ein stinkreicher Machthaber in anrüchiger Umgebung ist und noch dazu ein gekröntes Haupt aus dem angeblich so zappendusteren Mittelalter. Ach was heißt "gekröntes Haupt", ein Tiaraträger war dieser Pierre Roger de Beaufort, um 1290 auf der Burg Maumont in Rosiers-d'Egletons geboren und 1342 in Avignon zum Papst gewählt, wo er zehn Jahre lang bis zu seinem Tod residierte.

Mätressen und Hofschranzen

Clemens VI. - auf den ersten Blick ein übler Patron wie die meisten dort in kompletter Abhängigkeit von Frankreich Hof haltenden Nachfolger Petri; sieben waren es im 14. Jahrhundert: Clemens, immerhin Benediktinermönch, aber zeitlebens viel eher Machtpolitiker, Lebemann und Kunstmäzen als Seelsorger, war vor der Entscheidung des Konklaves erster Minister des Königs, Kanzler von Frankreich und Erzbischof von Rouen gewesen. Kaum hatte er den Stuhl Petri bestiegen, ernannte er zehn neue Kardinäle. Neun von ihnen kamen wie er aus Südfrankreich, fünf waren seine Neffen.

Im Papstschloss von Avignon ging es zu wie an jedem x-beliebigen Fürstenhof - nein, schlimmer: Clemens erhöhte nicht nur dauernd die Steuern, um seine Mätressen und Hofschranzen verwöhnen zu können. In England kaufte er derart viele vakante Pfründen auf, dass seine Einnahmen aus diesen Vermögenstiteln die Einkünfte des englischen Königs um das Fünffache überstiegen, wie das englische Parlament pikiert feststellte. Clemens zuckte die Achseln und erklärte mit kaltem Lächeln, seine Amtsvorgänger hätten es eben nicht verstanden, Papst zu sein.

Als 1347 die große Pest ausbrach, rührte ihn das Massensterben unter der Bevölkerung wenig. Er setzte sich zwischen zwei ständig brennende gewaltige Feueröfen - und überlebte wohl auch deshalb, weil Rauch und Hitze die Flöhe, Überträger der Beulenpest, von ihm fernhielten.

Fanatische Verfolger

Aber dieser ziemlich unwürdige, nicht besonders sympathische, bisweilen richtig peinliche Petrusnachfolger war zu einer Glanzleistung fähig, die bis in unsere Tage herüber leuchtet: Am 26. September 1348 nahm er in einer Bulle mit dem Titel "Quamvis perfidiam" - es war schon seine zweite in dieser Sache - die Juden vor dem todbringenden Vorwurf in Schutz, sich als Brunnenvergifter zu betätigen und so für die Ausbreitung der Pest zu sorgen. Den Verfolgern drohte er sogar die Exkommunikation an.

Der Aberglaube, die Pest rühre von der Verunreinigung von Wasser und Luft mit einem Giftstoff her, kostete Hunderttausende das Leben: zuerst die Leprakranken, dann die Juden. Papst Clemens argumentierte vergeblich, die Pest treffe ganz offensichtlich auch die Juden. Tatsächlich konnten sich die fanatischen Verfolger darauf berufen, dass es vielerorts weniger Pesttote unter der jüdischen Bevölkerung gab - weil ihnen ihre Religion vorschrieb, auf Hygiene und gesunde Ernährung zu achten, und weil sie viele hervorragende Ärzte in ihren Reihen hatten.

Die päpstliche Bulle hatte kaum Erfolg. In Bern und Stuttgart, in Augsburg, Nördlingen, Lindau loderten die Scheiterhaufen. Die Ankläger waren meist Handwerker, kleine Gewerbetreibende und Bauern, die bei Juden hoch verschuldet waren und einen bequemen Weg gefunden hatten, ihre Gläubiger los zu werden. Um die Mahnungen eines Papstes, der selbst genug Dreck am Stecken hatte, scherte man sich da wenig.


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