Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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25. Oktober 1694 Lord Russell gibt Punsch aus

Vielleicht eine sehr britische Idee - eine politische Partei mit einem bestimmten alkoholischen Getränk zu verbinden. Am 25. Oktober 1694 gab Lord Russell den Offizieren der Mittelmeerflotte brunnenweise Punsch aus, das Erkennungsgetränk der Whigs.

Stand: 25.10.2011 | Archiv

25 Oktober

Dienstag, 25. Oktober 2011

Autor(in): Rainer Nothaft

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Es ist immer sehr erbaulich über englische Politik zu sprechen.Denn alles in ihr dreht sich nur um zwei Dinge: um schöne Frauen und um starke Getränke. Beginnen wir mit den schönen Frauen.

Als um die Mitte des 17. Jahrhunderts das englische Zweiparteiensystem erfunden wurde: auf der einen Seite die Tories - Tories, nach einem guten alten Namen für Wegelagerer - auf der anderen Seite die Whigs - Whigs, nach einer ebenfalls guten alten Bezeichnung für Viehdiebe - was machten da die schönen Britinnen, um sich politisch zu outen?

Nun, die Anhängerinnen der Whigs platzierten ihre Schönheitspflästerchen auf die rechte Wange, die Anhängerinnen der Tories dagegen auf die linke. So war jedenfalls für klare Verhältnisse gesorgt.

Womit wir auch schon bei den starken Getränken sind. Denn auch hier regierten überdeutliche Signale. - Oder vielleicht doch nicht so ganz überdeutlich? Denn einmal war das alkoholische Erkennungsgetränk der Whigs eine ziemlich konfuse Mixtur aus Leichtem und Schwachem, Saurem und Süßem; dann wurde ihm bei seiner ersten Erwähnung 1672 auch noch irreführend "mangelnde Kraft" nachgesagt; - und da ist schließlich diese kleine schmutzige Verrats- und Vertuschungsgeschichte, wo es um eine Menge Alkohol ging, den Alkohol der Whig-Partei, versteht sich. 

Edward Russell, Earl of Oxford, später Lordadmiral der britischen Mittelmeerflotte - war nicht er es gewesen, der im Jahr 1688 Wilhelm von Oranien als neuen König aus den Niederlanden nach London geholt hatte, ganz so, wie seine Partei, die Whigs, es wollte? War Edward Russell nicht eine ihrer Säulen? Was aber sollte dann später, als seine Karriere einen Knick bekam - was sollte da sein heimlicher Kontakt mit dem nach Frankreich geflohenen Stuart-König James II., dem Favoriten der Tories?

Das sah sehr nach Hochverrat aus und es war auch sehr Hochverrat - wenn auch nicht viel dabei auf- und herauskam. Doch Lord Russell musste das Gefühl bekommen haben, seinem politischen Ruf etwas schuldig zu sein. Nicht ein paar gute Worte, eine große theatralische Geste. Am 25. Oktober 1694 im spanischen Alicante luden ihre Lordschaft die Offiziere der Mittelmeerflotte zu einem Fest. Und in seinem Zentrum, mächtig in seinem Zentrum, das Erkennungsgetränk, der alkoholische Symbolträger aller Whig-Anhänger: der Punsch. Denkt jetzt jemand an die Bowlenschüssel? Er denkt richtig. Nur, er denkt zu klein. Denn die 1.000 Liter Brandy, die 2.500 Liter Malaga, die hundert Liter Zitronensaft, die 150 Pfund Zucker und die 2.000 Liter Wasser, die der Lord anfahren, aufkorken und mischen ließ, gluckerten sanft kaskadierend in den Schalen eines gigantischen Marmorbrunnens.

Wurde das Fest ein Erfolg? Ja, es wurde. Stieg der Trinkspruch der Royal Navy "To England Home And Beauty" in den nächtlichen Himmel empor? Ja, und immer wieder ja, anfangs laut und deutlich, später nur noch laut. Und - konnte Lord Russell seinen Ruf retten? Ja, wahrscheinlich. Blieb der Punsch also das Getränk der Whigs? Ach was, schon ein halbes Jahrhundert später wusste niemand mehr etwas von seiner politischen Bedeutung. Die Tories waren ohnehin unbeirrt bei Rheinwein, Bordeaux und Port geblieben, die sie für einheimisch hielten. Und die Engländerinnen klebten ihre Schönheitspflästerchen schon lange nur noch dorthin, wo es ihnen am besten gefiel.


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