Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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19. Januar 1838 Mainzer Carneval-Verein gegründet

Die Tage vor Beginn der Fastenzeit sollen eine echte Explosion der Volksseele gewesen sein. Doch dann wollte man es „in besserer Ordnung und edlerem Geschmack“. Am 19. Januar 1838 wurde deshalb der „Mainzer Carneval-Verein“ gegründet. Jetzt war`s anständig lustig.

Stand: 19.01.2010 | Archiv

19 Januar

Dienstag, 19. Januar 2010

Autor(in): Anja Mösing

Redaktion: Thomas Morawetz

Ein Kasten Bier! Das reicht. Ein Kasten Bier und die richtigen Leute natürlich. Musik auch, klar. Aber mehr nicht. Für einen gewissen gerade mal 18jährigen Burschen aus Rosenheim sind das alle Zutaten, die eine gute Party braucht. Man braucht nicht viele, aber halt gute, grinst er.

Stimmt schon, so eine kleine Party unter Freunden kann schön sein: sich wohl fühlen, Witze machen, lachen, vielleicht tanzen. Aber manche Menschen wollen es gern eine Nummer größer. Rauschhafter. Vielleicht sogar orgiastischer. Partymäßig ganz vorn mit dabei waren sowieso die alten Griechen. Ihr Olymp ohne einen Gott für Rausch, Ekstase und Verwandlung? Undenkbar! Der zuständige Gott hieß Dionysos. Ein echter Party-Gott. Mit einem Kasten Bier hätte man dem nicht kommen brauchen.

Für Dionysos haben die Griechen tagelange Feste aus dem Boden gestampft. Und zwar jedes Jahr. Und mit allem. Mit viel Wein und Festgelagen, mit Musik, Tanz, Festumzügen in den Straßen und - ganz wichtig - mit viel Maskerade. Sobald eine Party gästemäßig etwas ausufert und unübersichtlich wird, braucht es einfach Masken und Kostüme. Ein uraltes, weltweites Erfolgsrezept.

Die Griechen haben daraus ganz nebenbei das Theater entwickelt, die Römer haben während ihrer Saturnalien über Tage hinweg auch noch alle Standesunterschiede aufgehoben und auf den mittelalterlichen Fastnachtsfesten ging auch nichts ohne Masken. Menschen sehen kostümiert eben nicht bloß anders aus, sie benehmen sich auch anders. Und vor allem: Sie fühlen sich anders. Verwandelt auf eine Weise, in der man über seine eigenen Grenzen hinweg gehoben wird. Und das ist nicht wenig!

Ein Ausnahmezustand. Kostümiert scheint plötzlich alles erlaubt zu sein, bis hin zu allerderbsten Späßen. Ob unter der Maske des Fauns, des Fregattengenerals oder des Funkenmariechens.

Allerdings...beim „Funkenmariechen“ ist das nicht ganz so sicher. Da müsste man erst mal in den Statuten nachsehen – also denen des „Mainzer Carneval-Verein“. Der wurde am 19. Januar 1838 gegründet; von Bürgern, denen die alljährlichen Partys so nicht mehr taugten, wie sie in ihrer Stadt zur Fastnacht gefeiert wurden. Bis zur Erfindung der rheinischen Karnevalsvereine sollen die Tage vor Beginn der Fastenzeit eine echte „Explosion der Volksseele“ gewesen sein. Die ganz große Sause. Und oft ziemlich derb. Aber im Restaurationszeitalter Metternichs wurden die Bürger am Rhein immer mächtiger und reicher und da wollten sie auch feiner sein. Lustig feiern wollten sie noch immer, aber ab jetzt: „In besserer Ordnung und edlerem Geschmack“. Für die anstehende Fastnacht im Februar 1838 hatte ihr Karnevalsverein dann gleich einen „Fastnachtsmontagszug“ bei der Stadtverwaltung beantragt und ihn auch gestattet bekommen.

Am Rhein wird die größte Party des Jahres seitdem flussauf und flussab monatelang minutiös vorbereitet. Mit gewählten Vereinspräsidenten, Karnevalsprinzen, Vereinswappen, Uniformen, Kappensitzungen, Büttenreden und den aufwendigen Wagen der Rosenmontagszüge. Lang wird auf Vereinssitzungen beratschlagt, welches Motto über allen Scherzen stehen soll. Kurz: Der rheinländische Karneval ist längst ein gesellschaftliches Ereignis. Und natürlich ein wirtschaftliches. Allein nach Mainz reisen rund 500.000 Touristen, um den Rosenmontagszug zu sehen. 23 Karnevalsvereine kümmern sich inzwischen darum, dass in der Stadt gefeiert werden kann.

Natürlich gibt es viele Masken und Räusche, vielleicht auch ein kleines Ekstäschen, aber alles streng nach Statut.

Den 18jährigen Rosenheimer wird man auf diesen Partys  aber vergeblich suchen. Warum? Ihm fehlt der dionysische Geist. Allerdings würde er es anders sagen: „Es rockt einfach nicht.“ Und das ist bei einer Party im Grunde alles, was zählt. Wussten schon die alten Griechen.


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