Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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18. November 1994 Patent auf "Anti-Matsch-Tomate"

Tomaten kann man vespern oder auf den Augen haben, Tomaten kann man werfen auf unliebsame Politiker oder schlechte Sänger - Rot, rund, matschig eben. Obwohl, nicht die patentierte "Anti-Matsch"-Tomate. Autorin: Silke Wolfrum

Stand: 18.11.2015 | Archiv

18 November

Mittwoch, 18. November 2015

Autor(in): Silke Wolfrum

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Man stelle sich vor: Im spanischen Städtchen Buñol findet die alljährliche Tomatina statt, die große Tomatenschlacht. Tausende aus aller Welt strömen herbei um sich eine Stunde lang mit Tomaten zu bewerfen. Doch: Die LKWs in den Straßen haben aus Versehen tonnenweise Anti-Matsch-Tomaten geladen. Was für ein Fiasko! Statt von oben bis unten mit Tomatensoße beschmiert zu sein, statt mit viel Gekreische auf Tomatenmatsch auszurutschen, geraten die Besucher der Tomatina in eine Art Bällebad. Knackige unverwüstbare Anti-Matsch-Tomaten fliegen umher, verursachen Beulen und Blutergüsse. Statt zu matschen, schlabbern, schmieren und zu pappen, kullert und hüpft es überall!

Klatsch, Patsch

Gut, all das hat es nie gegeben - aber sollte es doch einmal passieren, wer wäre schuld daran? Die US-amerikanischen Wissenschaftler, die die Anti-Matsch-Tomate gezüchtet haben? Ihnen war es gelungen, das Gen, das für das Matschigwerden der Tomate verantwortlich ist, zu blockieren. So konnte die “Flyr-Savr“ - so ihr offizieller Name - länger am Strauch reifen und dann immer noch - aufgrund ihrer anhaltenden Festigkeit - bestens transportiert werden. Die Flyr-Savr - zu Deutsch die "Geschmackskonservierende" - war der weltweit erste gentechnisch veränderte Organismus, der für den menschlichen Verzehr auf den Markt gebracht wurde.

Wer war´s?

Oder wäre das Europäische Patentamt in München schuld gewesen? Dieses hatte schließlich am 18. November 1994 das Patent für die Gen-Tomate erteilt und es auch nicht zurückgenommen, als diese Entscheidung scharf kritisiert wurde.

Greenpeace-Experten warnten vor den verhängnisvollen Folgen des Patents, wobei sie wohl weniger an die spanische Tomatina dachten, als an die starke Abhängigkeit von den Gen-Konzernen, in die Lebensmittelhersteller nun gerieten.

Oder wäre die Politik Schuld gewesen? Hätte sie die gefährliche Anti-Matsch-Tomate nicht abwenden können, wenn sie endlich ein Gesetz geschaffen hätte, das Patente auf Lebewesen und deren Gene ganz einfach verbietet?

Selbstverständlich ist dieses Gedankenspiel reinster Quatsch mit Tomatensoße.

Erstens weil die Anti-Matsch-Tomate in den USA kaum gekauft wurde und schon drei Jahre nach ihrem Erscheinen wieder vom Markt verschwand. Zweitens weil in Europa ja gar keine Gen-Tomaten zugelassen sind, noch nicht jedenfalls. Und drittens weil auch die schönste Anti-Matsch-Tomate einmal matschig wird, wenn auch zwei Wochen später als herkömmliche Tomaten. Sollte sie - oder eine ihrer Nachfolgerinnen - also doch eines Tages auf die Tomatina geraten, dann sowieso nur im überreifen und ungefährlichen Zustand, so schreiben es die Tomatina-Regeln nämlich vor.


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