Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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18. August 1587 Virginia Dare, erstes englisches Kind auf amerikanischem Boden

Virginia Dare - des Name des ersten "weißen" Kindes, das in Amerika geboren wurde. Ein Synonym für eine verschwundene Kolonie - ein Mythos. Autor: Xaver Frühbeis

Stand: 18.08.2020 | Archiv

18 August

Dienstag, 18. August 2020

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Im Sommer des Jahres 1587 ging an einem weit entfernten Landstrich, den die Engländer "Virginia" nannten, ein Schiff vor Anker. An Bord: hundertfünfzehn Männer, Frauen und Kinder. Sie waren nicht die Ersten mit heller Hautfarbe, die hierher kamen. Aber die englische Krone hatte ihr Interesse an einer Kolonie in der Neuen Welt entdeckt, und so hatte man zum ersten Mal Familien geschickt.

Das Schiff lag vor einer Insel. "Roanoke" - sagten die Eingeborenen. Roanoke war windgeschützt gelegen, fruchtbarer Boden, viel Wild. Ungünstig war, dass die Auswanderer erst im Juli angekommen waren. Zu spät, um zu säen und zu pflanzen, zu spät, um noch Ernte einzufahren für den Winter. Nach wenigen Tagen war den Siedlern klar, dass sie von zuhause Hilfe brauchen würden. Und sie entschlossen sich, den Gouverneur ihrer Kolonie, einen Mann namens John White, mit dem Schiff zurück zu schicken, um Lebensmittel zu holen und neues Saatgut.

Das erste Kind der Einwanderer

Wenige Tage, bevor White abfuhr, wurde ihm in der neuen Kolonie noch ein Enkelkind geboren. Eleanor, seine Tochter, begleitet von ihrem Mann, dem Maurer Ananias Dare, war hochschwanger auf die Reise gegangen. Das erste Kind englischer Einwanderer auf amerikanischem Boden kam am 18. August 1587 zur Welt und war ein Mädchen. Sie nannten es - nach der neuen Heimat - Virginia. Wenige Tage später verließ Virginia Dares Großvater seine Familie und die Kolonie. Beide sollte er niemals wiedersehen.

Denn zuhause fand er England im Krieg mit Spanien. Und keiner hatte auch nur die geringste Lust, sich mit den Problemen von einer Handvoll Kolonisten irgendwo weit weg zu beschäftigen. Drei Jahre lang musste White warten, bis er mit einem Schiff voller Nachschub nach Roanoke zurückkehren konnte. In diesen drei Jahren jedoch war dort irgendetwas geschehen. White fand das Dorf verlassen. Um die Häuser: ein hoher Palisadenzaun. An einem Baum des Zauns war ein Stück der Rinde abgezogen, in die nackte Stelle hatte man eine Nachricht an das Nachschubschiff eingeschnitzt.

Ein einziges Wort nur: "Croatoan". So hieß eine Insel einige Meilen südlich. White wusste, dort lebten Indianer. War die Kolonie angegriffen worden? Oder hatten seine Leute das Dorf verlassen, um mit den Indianern zu leben? White konnte es nicht überprüfen, denn es zog ein Wirbelsturm auf, der ihn zur Rückkehr nach England zwang, wo er kurz darauf starb.

Weiße Indianer?

Drei Jahrhunderte später, als die amerikanischen Historiker begannen, sich mit dem Schicksal der "Verlorenen Kolonie" zu beschäftigen, meldeten sich weiße Siedler. Sie wollten auf Croatoan Indianern mit blonden Haaren und blauen Augen begegnet sein, die rudimentär englisch sprachen. Ein Gerücht, dass sich nie nachprüfen ließ.

Bis heute hält das Schicksal der "Verlorenen Kolonie" die Amerikaner in Atem. Theorien werden geboren, Märchen erzählt und unter der Handelsmarke "Virginia Dare" stellt man künstliche Geschmacksrichtungen her. Das Mädchen Virginia und die "Verlorene Kolonie" sind zum Mythos geworden. Und was wirklich mit ihnen geschehen ist damals, wird für immer ein Geheimnis bleiben.


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