Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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16. Juni 1960 Alfred Hitchcocks "Psycho" hat Premiere

Schokoladensirup statt Kunstblut, das Geräusch der Messereinstiche mit Hilfe einer Wassermelone aufgenommen. Und doch, die gruseligste Dusche aller Zeiten, in Hitchcocks "Psycho". Autorin: Anja Mösing

Stand: 16.06.2016 | Archiv

16 Juni

Donnerstag, 16. Juni 2016

Autor(in): Anja Mösing

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Gerade berechnende Erbsenzähler können unfassbare Verführer sein. Zum Beispiel Alfred Hitchcock. Dieser Mann hatte einfach raus, wie man Menschen ganz ohne Zwang genau dahin bringt, wo man sie haben will.

Wer zu spät kommt…

Darum ließ Hitchcock sich für Psycho, seinen ersten echten Horror-Film, selbst auf die Plakate drucken. So, wie man ihn kannte: als fülligen Mann im schwarzen Anzug, mit Krawatte, dazu in eindeutiger Pose. Er blickt dem Betrachter fest in die Augen und deutet gleichzeitig mit dem Zeigefinger auf seine Armbanduhr. Daneben der Text:

"Bitte beachten Sie: Wer Psycho sehen will, muss pünktlich kommen!".

Und zwar wirklich! Einlass nach Filmbeginn? Bei Psycho Fehlanzeige! Hitchcock hatte den Film allein finanziert und alle Kinobesitzer vertraglich verpflichtet, niemanden nach Beginn des Hauptfilms in den Kinosaal zu lassen. Ein Unding. Alle fürchteten Geldeinbußen an den Kassen. Zuspätkommer gab es schließlich immer.

Aber auch dieser Hitchcock-Trick traf ins Schwarze. Kurz nach dem US-amerikanischen Filmstart am 16. Juni 1960 war klar: das Publikum strömte pünktlich und zahlreich ins Kino und folgte der raffiniert aufgebauten Filmhandlung von der ersten Minute an willig. Psycho wurde Hitchcocks bestbesuchter Film.

"Mutter! Mein Gott Blut! Mutter, wie kommt das Blut hierher?! Mutter!"

Die Folgeschäden waren groß: Millionen konnten danach jahrelang keine Dusche mehr nehmen, ohne an die 45 Horror-Sekunden zu denken, die Hitchcock bis heute einen sicheren Platz in der Ruhmeshalle der Filmgeschichte einbringen.

In dieser kurzen Filmszene geht die Heldin entspannt unter die Dusche ihres Motel-Zimmers, man sieht - wie die Duschende selbst - mitten  hinein in die erfrischenden Wasserstrahlen aus dem runden Duschkopf, man hört nichts als das Prasseln der Tropfen auf den Körper und den milchig weißen Duschvorhang, bis - bis dieses entsetzlich riesige Messer durch den Duschvorhang sticht, immer wieder! Geführt von einem ebenso entsetzlichen Schatten, der schemenhaft eine alte Frau mit Dutt erkennen lässt. Dazu entsetzlich schrille Geigenklänge.

Ultraschnelle Schnitte zerhacken die Kameraeinstellungen. Immer wieder: das Messer, der nackte, nasse Körper, die Wasserstrahlen aus dem Duschkopf und irgendwann literweise Blut, das in den Abfluss rinnt und am Schluss schreckensweit aufgerissene Augen der Heldin, die starr in der Duschkabine liegt, während das Wasser weiterhin auf sie herab prasselt.

Ein Schock. Zum Glück in Schwarz-Weiß.

Hitchcock hatte wieder mal erreicht, dass die Zuschauer das, was sie auf der Leinwand sehen, in ihren Köpfen weiter spinnen. So, wie der Regisseur es wollte. Dazu hatte er es ganz tief hinein geschafft. Rein in die Schichten, in denen Menschen ihre Ängste hüten. Auch die Angst, in einem intimen Moment überrascht zu werden, vollkommen schutzlos zu sein. Wie im Bad.


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