Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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15. Juni 1864 Der US-Nationalfriedhof Arlington entsteht

Im Amerikanischen Bürgerkrieg - das Problem schien fast unlösbar: Wohin mit all den Leichen? Da hatte man in den Nordstaaten eine Idee: Das Grundstück des Südstaaten-Generals Lee bot Platz. Am 15. Juni 1864 wurde aus Arlington ein Friedhof gemacht.

Stand: 15.06.2011 | Archiv

15 Juni

Mittwoch, 15. Juni 2011

Autor(in): Gabriele Knetsch

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Muss sterben schön sein! "Ich bin einer der Auserwählten - ich hab’s nach Arlington geschafft!" singt Country-Sänger Trace Adkins in seiner rührseligen Hymne des Heldentums auf den berühmtesten Militärfriedhof Amerikas. Zweifel ob der Authentizität dieser Zeilen sind indes mehr als angebracht: Showman Adkins steht - im Unterschied zu den 300.000 Toten von Arlington - im prallen Leben. Und pittoreske Bilder vom Memorial Day mit nelkengeschmückten Grabsteinen, schmucken Soldaten in Paradeuniform und flatternden Union Jacks im Wind täuschen nicht darüber hinweg, dass an den Gebeinen verdienter amerikanischer Veteranen längst die Würmer nagen.

Vor allem an den "Auserwählten" der ersten Stunde.
Am 15. Juni 1864 - mitten im amerikanischen Bürgerkrieg - richtete der Nordstaaten-General Montgomery C. Meigs den Soldatenfriedhof von Arlington unweit von Washington ein. Damals weniger eine Frage der nationalen Ehre, sondern der schlichten Notwendigkeit. Der blutige Krieg, der sich vor allem zwischen Washington, der Hauptstadt der Union, und dem 170 Kilometer entfernten Richmond, der Südstaaten-Kapitale, abspielte, produzierte mehr Tote als alle Gräber je fassen konnten. "An manchen Stellen ragten Arme und Beine und gelegentlich auch Köpfe aus dem Boden heraus" berichtete ein Augenzeuge über die hastig verscharrten Toten des Schlachtfeldes.

Ganz wunderbar für eine würdige Ruhestätte der Bürgerkriegskämpfer bot sich da ein herrschaftliches, säulengeschmücktes Landhaus samt ausgedehntem Park am Ufer des Potomac an: Arlington. Dass es der Familie des heldenhaften - und erfolgreichen - Südstaaten-Generals Robert E. Lee gehörte, war keineswegs Zufall, sondern ein schnöder Akt der Rache. Lee stand ursprünglich im Dienste der Unions-Armee. Als Präsident Lincoln ihm bei Ausbruch des Bürgerkriegs das Kommando der "Army of the Potomac" übertragen wollte, lief der Verräter zur rebellischen Gegenseite über - weil er sich seinem Heimatbundesstand Virginia verbunden fühlte. So enteignete die Unionsregierung Lees Familie und bestattete auf dem Gelände gefallene Soldaten.

Aber nur die eigenen, nicht die der Konföderation.
Die mussten draußen bleiben. Überhaupt spiegelte - und spiegelt - der Nationalfriedhof von Arlington die geltende Gesellschaftsordnung aufs akkurateste wider. In Extra-Sektionen etwa - getrennt vom Rest - lagen die schwarzen Soldaten. Noch heute gibt es unter den über 70 Sektionen eine für die Offiziere, eine für die Frauen in der Armee, eine für die Krankenschwestern und eine für 3.800 ehemalige Sklaven.

Wie sehr man auch in Arlington aktuellen Trends folgt, zeigt Sektion 60 - für die Gefallenen des Irak- und des Afghanistan-Krieges. Einige Staatsmänner sind auch auf dem Nationalfriedhof bestattet - Präsident John F. Kennedy zum Beispiel, der nur hier sein darf, weil er in der Armee gedient hat. Der Dienst in der Army wird in Arlington verklärt zur religiös-patriotischen Bürgerpflicht. Der Friedhof gilt als

"heiliger Schrein", zu dem all jene pilgern, die den Kampf gegen das Böse für die ureigenste Aufgabe der Amerikaner und ihre Soldaten für die Helden der Nation halten.

"Wir können in Frieden ruhen, denn wir sind die Auserwählten. Wir haben’s nach Arlington geschafft", beschließt Trace Adkins seinen Song. Heilfroh wahrscheinlich, nicht mit der Waffe in der Hand, sondern singend seinen Beitrag zur Ehre der Nation zu leisten - und zwar quicklebendig.


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