Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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14. August 1731 Henker Nachkommen werden rehabilitiert

Bis ins 18. Jahrhundert konnten die Kinder von Henkern und anderen 'unehrlichen' Berufen nur diesen Beruf ergreifen und in "unehrliche" Familien einheiraten. Erst am 14.8.1731 wurde die Vererbbarkeit der "Unehrlichkeit" von Scharfrichterfamilien aufgehoben.

Stand: 14.08.2013 | Archiv

14 August

Mittwoch, 14. August 2013

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Bernhard Kastner

Es gibt Menschen, die sind schrecklich unehrlich. Früher allerdings, vor fünfhundert Jahren oder so, gab es etliche unehrliche Menschen mehr, und das war für die ziemlich schrecklich. Unehrlich zu sein, bedeutete damals nicht, dass man ein Schwindler war. Es hieß, dass einem die bürgerlichen Ehren aberkannt waren, weil man einen zwar notwendigen, jedoch geächteten Beruf ausübte. Henker und Bader waren unehrlich, Schinder und Abtrittreiniger, Schweinskastrierer und Totengräber.

Diese "unehrlichen Leute" waren gezwungen, ein Leben abseits der Gemeinschaft zu führen. Ihr Haus stand außerhalb der Stadtmauer, in der Kirche hatten sie eine eigene Bank, im Gasthaus einen eigenen Krug, und sie mussten auffällige Kleidung tragen, damit man ihnen schon von weitem aus dem Weg gehen konnte. Einen Unehrlichen zu berühren war entehrend. Niemals kam es vor, dass ein Ehrlicher einen Unehrlichen heiratete. Kinder, deren Eltern einen unehrlichen Beruf hatten, konnten nur diesen Beruf ergreifen und nur in geeignete Familien einheiraten.

Das ist der Grund dafür, dass in Deutschland Henker-Familien existierten, deren Mitglieder über Jahrhunderte hinweg die Scharfrichterpositionen besetzten. Ein Monopol, das den Familienmitgliedern ein gesichertes Auskommen verschaffte, andererseits aber: wer mal was anderes werden wollte als Henker, der hatte Pech. Der Sohn eines Henkers konnte Henker werden, sonst nichts. Er hatte aber auch einen Beruf, der gelernt sein wollte. Wer auf der Richtstatt stümperte, der riskierte sein Leben, wie einst jener Henker in Chur, der in betrunkenem Zustand zwei Diebe mit dem Schwert nicht gleich enthauptete, sondern erst mal nur am Oberkörper verstümmelte. Als er sich beim dritten Delinquenten wieder anschickte herumzumetzeln, hielt es das zuschauende Volk nicht mehr aus und steinigte ihn.

Es war also eine gefährliche Sache, das Henken. Für beide Parteien. Kein Wunder, dass immer wieder Jugendliche aus Scharfrichterfamilien versuchten, das Gewerbe zu wechseln. Solange sie jedoch unehrlich waren und nicht zunftfähig, hatten sie keine Chance. Das änderte sich Anfang des 18. Jahrhunderts. Damals verhandelte man in Augsburg über die Gewerbefreiheit. Die Zünfte hatten sich überholt, von nun an sollte jeder frei sein in der Wahl seines Berufs, und davon wollte man auch die unehrlichen Leute nicht ausnehmen. Und so war jener 14. August 1731, an dem Kaiser Karl VI. die neue Reichszunftordnung erließ, auch für die deutschen Scharfrichterfamilien ein wichtiger Tag.

Die Unehrlichkeit, so stand es im Gesetz, würde bei den Nachkommen der Schinder und Scharfrichter, sofern sie das väterliche Gewerbe verließen, in der dritten Generation erlöschen. Eine Erleichterung für alle Scharfrichter- und Schinderkinder, aber: ein Problem für den Rest der Welt. Vordem hatte man es mit althergebrachten Familienbetrieben zu tun gehabt. Nun musste man mit jenen vorlieb nehmen, die sich freiwillig für diesen Posten hergaben.

Wobei das allzu oft nur heruntergekommene Subjekte in finanzieller Notlage waren. Und sagen Sie selbst: wer möchte sich von solchem Gesindel schon guten Gewissens henken lassen ...


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