Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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14. Juni 1802 Schinderhannes vor dem Untersuchungsrichter

Die Wahrheit über Teufelskerle ohne Furcht vor dem Gesetz interessiert die Legendenbildung nicht, aber die Justiz. Am 14. Juni 1802 wurde der berüchtigte Schinderhannes dem Untersuchungsrichter vorgeführt.

Stand: 14.06.2011 | Archiv

14 Juni

Dienstag, 14. Juni 2011

Autor(in): Herbert Becker

03 August

Mittwoch, 03. August 2011

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Was ist das eigentlich: ein ganzer Mann? Ein richtiger Kerl? Das ist, wird man sagen, einer, mit dem man Pferde stehlen kann, einer, dem es nie in den Sinn käme, seine Freunde im Stich zu lassen, einer, der unter keinen Umständen den Kopf verliert. Hundertprozentig gesetzestreu muss er nicht sein, und was schon gleich gar keine Rolle spielt, ist seine Herkunft.

Ja, freilich, diese tollen Mannsbilder erscheinen bei weitem häufiger auf der Kinoleinwand als im richtigen Leben. Sie sind Ritter, Räuber, Samurai oder auch Seefahrer und Cowboys, üben also Berufe aus, die in ihrer traditionellen, heute oft romantisierten Form, praktisch ausgestorben sind. Immerhin, es hat sie einmal gegeben. Schließlich sind nicht alle Geschichten, die das Kino erzählt, Erfindungen.

Ein Mann zum Pferde stehlen

Diejenige von Johannes Bückler - besser bekannt unter dem Namen Schinderhannes - ist eine, die auf wahren Begebenheiten beruht. Schon, dass sie einmal mit Curd Jürgens in der Titelrolle verfilmt wurde, macht deutlich, dass es um das Schicksal eines ganzen Mannes geht. Und in der Tat: Der Schinderhannes war einer, mit dem man Pferde stehlen konnte. Was heißt ‚konnte’? Dieser Pfundskerl war noch keine zwanzig, als er sich einer Bande von Pferdedieben anschloss. Einmal prahlte er sogar damit, im Hunsrück so viele Pferde geklaut zu haben, dass man damit eine ganze Reiterschwadron hätte ausrüsten können.

Sein Vater war ein Abdecker oder Schinder gewesen, und auch Hannes hatte dieses Gewerbe eine zeitlang ausgeübt; daher der Name. In jungen Jahren hatte er einmal einem Dienstherrn ein paar Viehhäute gestohlen, war erwischt und zu fünfundzwanzig Stockhieben verurteilt worden. Trotz - oder vielleicht gerade wegen - dieser öffentlich vollzogenen Strafe geriet er immer weiter auf die schiefe Bahn. Diebstahl reihte sich an Diebstahl, Einbruch an Einbruch. Mit dem brutalen Mord an einem Berufskollegen katapultierte er sich endgültig aus der bürgerlichen Gesellschaft hinaus, später brachte er bei bewaffneten Raubüberfällen weitere Menschen um. Ein paar Mal kam er ins Gefängnis, floh - und steigerte damit den Ruhm, den er unter seinesgleichen genoss, in immer weitere Höhen. Bald war er Chef einer Bande, die - einmal links, einmal rechts des Rheins - Reisende überfiel, Häuser und Höfe plünderte und Schutzgelder erpresste. Als man ihn aber ab Mai 1802 in Deutschland und Frankreich steckbrieflich suchte, wurde es eng. Zwar fiel er mehrfach Polizeistreifen in die Hände, ohne erkannt zu werden, doch als er sich in Limburg an der Lahn als Soldat anwerben lassen wollte, wurde er von einem ehemaligen Komplizen identifiziert. Die Polizei nahm ihn fest, brachte ihn nach Frankfurt und lieferte ihn an die zuständigen Behörden aus. Am 14. Juni 1802 wurde er dem Haftrichter vorgeführt.

Ein Maulheld von Straßenräuber

Leider zeigte sich bei den folgenden Verhören, dass er doch nicht genau das war, was man sich unter einem richtigen Kerl vorstellt. Nicht nur, dass er viele seiner Kumpanen verpfiff, er versuchte auch noch, ihnen seine Verbrechen in die Schuhe zu schieben. Der an seiner Verhaftung beteiligte Jurist Johann Nicolaus Becker schrieb: "Wenn man das Ganze kalt übersieht, so bleibt am Ende nichts als ein armseliger Maulheld von Straßenräuber übrig."

Und als ob diese Behauptung eines Beweises bedurft hätte, verurteilte das Gericht den Schinderhannes zum Tod durch das Schafott, so dass er tatsächlich am Ende seines Lebens auch noch den Kopf verlor.


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