Bayern 2 - Das Kalenderblatt


4

13. Oktober 1958 Paddington Bear erscheint

"Der traurigste Anblick, den es gibt, sind Flüchtlinge", meinte Paddingtons Vater. Dabei hat es ein knuffiger kleiner Bär leichter mit der Immigration als zahllose andere… Autorin: Julia Devlin

Stand: 13.10.2015 | Archiv

13 Oktober

Dienstag, 13. Oktober 2015

Autor(in): Julia Devlin

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Es handelt von einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling. Er ist Vollwaise und seine Heimat ist von einer Naturkatastrophe zerstört worden. Ihm gelingt die Flucht nach Europa. Hier nimmt ihn eine wohlwollende Familie auf, gibt ihm einen neuen Namen und bringt ihm die Sitten des Landes bei. Der Immigrant erweist sich als lernwillig, höflich und anpassungsfähig. Von dem wenigen Geld, das er erhält, zweigt er etwas ab, um es an seine einzige noch lebende Verwandte in der alten Heimat zu schicken, eine betagte Tante. Sie war es auch, die ihn zu der Flucht gedrängt hatte. Kind, ich bin alt, aber du hast deine Zukunft noch vor dir, geh nach Europa, da ist das Leben besser, so in etwa waren ihre Worte, und dann hatte sie ihm von ihren letzten Ersparnissen Reiseproviant gekauft.

Der Immigrant aus Peru

Das Kinderbuch ist ein absoluter Bestseller, mehr noch, ein Klassiker. Das erstaunliche an der Geschichte: Erstens, sie stammt aus dem Jahr 1958, und zweitens: der Held ist ein Bär.

Es war der 13. Oktober 1958, als das Buch "A Bear called Paddington" in England erschien. Der Autor, Michael Bond, schrieb danach noch mehr als zwanzig Bände über Paddington. Rund um den Globus rührte der kleine Bär die Herzen, in über dreißig Sprachen wurden Paddingtons Abenteuer übersetzt.

Es heißt, Bücher werden nicht nur von ihrem Autor geschrieben, sondern auch von der Welt, in der der Autor lebt. Michael Bond hat selber davon berichtet, welche Eindrücke in die Paddington-Geschichten eingeflossen sind. Da waren zum einen die Erlebnisse im England der frühen Vierziger Jahre. Bond war ein junger Soldat ohne Schulabschluss, eigentlich noch ein Teenager. Da sah er tagtäglich Kinder mit einem kleinen Köfferchen in der Hand und einem Pappschildchen an einer Schnur um den Hals gehängt. Ganze Gruppen von ihnen in den Bahnhöfen der Stadt. Sie wurden aus London evakuiert, denn London wurde von der deutschen Luftwaffe bombardiert. Nach dem Krieg blieb Bond in London.

Der Bär mit dem Koffer

Viele seiner Arbeitskollegen bei der BBC waren Flüchtlinge, vor allem aus Russland, Polen und Ungarn. Dann kamen Immigranten aus dem ganzen Empire. Das führte zu Spannungen und es kam im Sommer 1958 zu den ersten Rassenunruhen in Notting Hill, die Bond, der dort wohnte, hautnah miterlebte. Ach ja, und dann war da noch der einsame Teddybär, der letzte im Regal bei Selfridges, den Bond an Weihnachten 1956 für seine Frau erstand... und so entstand das Bild eines Bären, der mit Köfferchen und einem Pappschild um den Hals im Bahnhof Paddington an Land gespült wird und in Notting Hill eine neue Heimat und eine neue Familie findet.

Ich glaube, der traurigste Anblick, den es gibt, sind Flüchtlinge, sagte Paddingtons Schöpfer einmal. Vielleicht lässt er darum den kleinen Bären als einen solchen Vorbild-Immigranten erscheinen, gibt dieser speziellen Flüchtlingsgeschichte ein Happy End. Denn hätten Mr. und Mrs Brown ihm nicht ihre Herzen und ihre Haustür geöffnet - wo wäre Paddington jetzt?


4